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ist von Leidenschaften frei. Die Schmeichelei aber „reicht den Leiden¬
schaften Gründe dar; sie gibt der Härte den Anstrich ber Gerechtig¬
keit; sie stellt die Verschwendung mit der Freigebigkeit so auf gleiche
Stufe, daß man barüber irre wirb; sie bebeckt bie Ausschweifung
mit bem Schleier bes Vergnügens unb bes Zeitvertreibes." Schmeich-
ler bethören den Fürsten; „sie stellen sein Wohl als verschieden
von dem seines Volkes dar; damit wird der Fürst, ohne zu wissen
warum, ein Feind seiner Unterthanen; er wird aus Unverstand hart,
streng, unmenschlich." Anderswo sollen die Fürsten sich einen Lehrer
suchen, der ohne Nachsicht und ohne Neid ein Urteil über sie fällt
und ihnen ohne Scheu und ohne Hehl sagt, was das Volk über sie
denkt und denken muß. Diesen Lehrer finden die Fürsten in der
Geschichte. „Die Geschichte schont auch diejenigen nicht, vor welchen
die Welt erzitterte; sie richtet dieselben und belehrt dadurch alle
Fürsten, daß sie ihre guten Thaten billigt, die schlechten aber ver-
dämmt. Das Urteil aber über die Toten lehrt die Lebenden, was
sie von der Zukunft zu erwarten haben und wie ihr Name auf die
Nachwelt kommen wird. Vor ihrem Richterftnhl müffen alle Großen
dereinst erscheinen. Wer es weiß, baß er diesem Gerichte nicht
entgehen kann, wirb barnach trachten, ohne Flecken vor ihm zu er-
scheinen." „Die Nachwelt hat uns Fürsten nach unserm Tobe, wir
selbst haben uns währenb unseres Lebens zu richten," so spricht ber
König.
Das Amt bes Herrfchers ist Friedrich II. zu mühselig und
verantwortungsreich, um begehrenswert zu sein. „Die, auf welche
die meiste Macht und Gewalt gehäuft ist, verdienen eher beklagt als
beneidet zu werden. Die Großen, welche die Erde beherrschen, sind
gezwungen, immer in der Zukunft zu leben, weil sie über alles nach-
denken, alles voraussehen, allem zuvorkommen und für die Ereig-
nisse stehen müssen, welche der Zufall, der mit der menschlichen Klug-
heit nur sein Spiel treibt, herbeiführt, um ihre Maßregeln zu zer-
stören. Arbeiten drücken sie zu Boden," und statt beglückenden
Erfolges der Arbeit ist nur zu oft Mißmut ihr Anteil, der ihnen
die Ruhe des Daseins nimmt.
Das Amt des Herrschers ist Friedrich ein freudeloses, da er
auch beim besten Willen selten den Menschen es zu Dank machen
kann. Der Herrscher bleibt die Zielscheibe einer Beurteilung aller,
die nur zu oft oberflächlich und einseitig, eigennützig und lieblos
verfährt. „Der eine findet ihn zu streng, der andere zu mild, der
dritte zu jäh. Führt er Krieg, fo heißt es: dieser rasende König!
der Himmel hat ihn zur Strafe unserer Sünden mit Ehrgeiz erfüllt.
Hält er Frieden, so heißt es: dieser stumpfe Monarch scheut die