— 273 —
ungestümer als die andere. Da hieß es: „Will der König dem
Prinzen den Verzicht nicht anraten, wohlan! so ist das der sofortige
Krieg, und in wenigen Tagen sind wir am Rhein. Um den König
handelt es sich fortan. Wenn er eingeräumt hat, daß er die An-
nähme des Prinzen gutgeheißen, muß er sie verbieten oder wenigstens
den Verzicht anraten und durchsetzen."
Dem französischen Ministerium war es also schon nicht mehr
um eine Verzichtleistung des Prinzen Leopold zu thun, sondern um
den Anteil, welchen König Wilhelm hieran hatte. Nicht Leopolds
sondern König Wilhelms Verhalten sollte für die Franzosen über
Krieg und Frieden entscheiden. Immer offenkundiger verschob sich
die Streitfrage; ihr wahrer Kern: „Der Kriegsfall gegen Preußen"
begann sich zu enthüllen.
Benedetti, welcher in die Kriegspläne des Kaisers Napoleon
nicht eingeweiht war, riet Vorsicht an. Vergeblich! Noch am Abend
des 10. Juli erhielt er den Befehl: „Wir zählen die Stunden. Sie
müssen darauf bestehen vom König eine Antwort _ zu erhalten: ja
oder nein. Wir brauchen dieselbe für morgen. Übermorgen wäre
es zu spät."
An diesem Abend noch erbat sich Benedetti eine zweite Unter- -
rebung bei König Wilhelm. Dieselbe wurde ihm auf den 11. Juli, Ü ^
MiÄagH^^Ä^VHr, zugesagt. Auch diese Unterredung, welche eine
volle Stunde dauerte, führte nicht das von Benedetti erstrebte Er-
gebnis herbei. Benedetti erbat sich vom Könige die Erlaubnis, nach
Paris den Bescheid zu senden: er — König Wilhelm — werde den
Prinzen einladen, auf die spanische Krone zu verzichten. Benedetti
verschwieg dabei nicht, daß er in diesem Rat des Königs nichts
anderes als einen Befehl erblicken würde. Der König blieb indes
bei seiner Weigerung. Er habe dem Prinzen bei der Annahme der
Wahl volle Freiheit gelassen; er werde ihm auch für die Ablehnung
derselben dieselbe Freiheit lassen. König Wilhelm verweigerte jede
weitere Äußerung, bevor von dem Prinzen selbst eine etwaige Verzicht-
leistung vorliege.
Benedettis Berichte wurden in Paris mit gesteigertem Unwillen
aufgenommen. Herzog von Gramont telegraphierte noch im Laufe
des 11. Juli, bevor der Verlauf dieser zweiten Unterredung ihm
bekannt geworden, an Benedetti: Die Sprache, welche er dem Könige
von Preußen gegenüber führe, lasse an Festigkeit zu wünschen übrig
und entspräche nicht mehr der Haltung, welche die kaiserliche Re=
gierung eingenommen habe; er müsse eine schärfere Tonart wählen.
Und am 12. Juli erhielt Benedetti die Weisung: „Wenden Sie
Ihre Geschicklichkeit, ich möchte selbst sagen Ihre Schlauheit an, um
Freundgen, Beiträge zum Unterricht in der Geschichte. 18