Full text: [Teil 3 = Quarta, [Schülerband]] (Teil 3 = Quarta, [Schülerband])

204 38. Umrisse zum Bilde des Schiffs und des Lebens zu Schiffe. 
die Segel nur anders gestellt; steigt aber seine Heftigkeit, 
so müssen sie teils eingerefft*), teils völlig eingezogen werden. 
Der Anblick dieser gefährlichen Verrichtung ist schauderhaft, 
wenigstens für jeden, der es nicht gewohnt ist, Menschen ihr 
Leben auf das Spiel setzen zu sehen. Sobald die untersten 
Zipfel des Segels vom Verdecke aus gelöst und aufgezogen 
werden, brausen die Winde darein und schlagen es an Stange 
und Mast, daß das ganze Schiff davon erbebt. Mit bewun¬ 
derungswürdiger Behendigkeit und nicht geringerem Mute 
klettern die Matrosen sogleich bis zur zweiten oder dritten 
Verlängerung der Masten hinan. Dort hängen in starken 
Tauen die Segelstangen oder Raaen quer über das Schiff; 
an ihren beiden Enden und in der Mitte befestigt, hängt ein 
schlotterndes Seil, welches den Füßen des verwegenen See¬ 
mannes zum Ruhepunkt dient. Auf diesem Seile gehen sechs 
bis acht Matrosen hurtig und mit sicherem Tritte zu beiden 
Seiten bis an die äußersten Enden der Raa hinaus trotz dem 
Winde, der das flatternde Segel gewaltsam hin und her 
schleudert und das Seil unter ihren Füßen erschüttert, trotz 
der schwankenden Bewegung des Schiffes, welche in jener 
Höhe ohne Vergleich stärker gefühlt wird als auf dem Ver¬ 
decke. Man hat berechnet und mit dem Sextanten gemessen, 
daß der Mast zuweilen bei sehr hohler See in einem Winkel 
von achtunddreißig Graden von der Perpendikularlinie ab¬ 
weicht. Ich habe zu gleicher Zeit das Ende der großen Raa 
sich in eine türmende Welle tauchen sehen. Der Matrose 
am Ende einer Segelstange, die gegen fünfzig Fuß hoch am 
Maste hängt, wird folglich mit jeder Welle alsdann durch 
einen Bogen von fünfzig bis sechzig Fuß geschaukelt! Jetzt 
scheint er ins Meer hinabgeschleudert zu werden, jetzt wieder 
die Sterne zu berühren. 
Doch ohne sich die gewaltsamen Bewegungen anfechten 
zu lassen, biegt er sich über die Segelstange, entreißt dem 
*) Eia Segel einreffen heisst einen Teil desselben über die Raa oder 
Segelstange wickeln und festbinden, damit es kleiner werde. Während 
dieser Arbeit wird die Raa herabgelassen, und sobald eingerefft ist, 
zieht man sie wieder auf, und sie hängt alsdann nicht so hoch wie 
zuvor am Maste. Man kann ein Marssegel zwei-, auch dreimal reffen.
	        
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