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Würde deiner Kirche herabzusetzen sucht, selbst die Würde, die er besitzt, verliere. Und
weil er als Christ weder gehorchen wollte, noch zu dem Herrn, den er verlassen hatte,
zurückkehrte, indem er Gemeinschaft mit Gebannten pflog, meine Mahnungen, die ich —
du bist mein Zeuge — nur um seines Heiles willen an ihn ergeben ließ, verachtete
und von deiner Kirche, die er zu schelten suchte, sich trennte, deshalb schlinge ich um
ihn in deinem Namen die Bande des Fluches. Und ich spreche im Vertrauen aus dich
diesen Bann aus, auf daß alle Völker wissen und erkennen sollen, daß du bist Petrus,
und auf deinen Felsen der Sohn des lebendigen Gottes seine Kirche gebaut hat und
die Pforten der Hölle sie nicht überwältigen sollen." Damit war „der Erbe des Kaiser-
thums, der oberste Schutzherr der abendländischen Kirche, in dem man den Urquell aller
weltlichen Macht bisher verehrte, und von dem der römische Bischof selbst in mehr als
einer Beziehung abhing", von demselben Bischöfe entthront und der ganze Lehnsstaat
durch die Lösung aller Lehnseide vernichtet. Die Papstmacht sollte an die Stelle der
kaiserlichen Gewalt als höchste Gewalt auf Erden treten. Dieser Satz war aber leichter
ausgesprochen, als in der Wirklichkeit durchgeführt. Das wußte auch Gregor. Er be¬
trachtete sich zwar als Vollstrecker des Willens Gottes, aber da er sich in die Welt¬
händel gemischt hatte, so suchte er auch in kluger Weise der Macht der Welt mit
andern weltlichen Mächten entgegenzutreten.
Er begann mit den Normannen Friedensunterhandlungen. Zugleich verband er
sich noch inniger mit der Markgräfin Mathilde, die durch den Tod ihres von ihr ge-
trennt lebenden Mannes Gottfried und ihrer Mutter Beatrix in den Besitz einer
glänzenden Herrschast gelangt war. „Voll von Ehrgeiz und Enthusiasmus, stand
dieses dreißigjährige Weib zum Dienste des Papstes, dem sie ihren Geist und ihr Herz
ergeben hatte, stets bereit, eine getreue Magd des heiligen Petrus, wie er sie nannte."
Auch in der Lombardei suchte Gregor seine Partei zu stärken, und endlich wurde itv
Deutschland die Treue gegen den König selbst bei vielen weltlichen und geistlichen
Herren wankend; dennoch billigten viele das Vorgehen des Papstes nicht, ^o daß dieser
ein Rechtfertigungsschreiben an die, welche im deutschen Reiche den christlichen Glauben
vertheidigen, erließ und darin auch sagte: „Wenn der König umkehren will, wird er
uns, was er auch gegen uns im Schilde führen mag, doch immer bereit finden, ihn
in die Gemeinschaft der Kirche, in welcher Weife ihr es, Geliebte, uns anrathen werdet,
wieder aufnehmen".
Als der König das Verfahren Gregor's erfuhr, fchrieb er im höchsten Zorne ein
Nationalconcil nach Worms aus, aber viele Bischöfe erschienen nicht, ebensowenig die
oberdeutschen Fürsten; darum berief er eine neue Versammlung nach Mainz. Aber
schon machten sich die Wirkungen des Bannes geltend; denn man fing an den König
zu meiden, und in Sachsen erhob sich der Aufruhr von neuem. Auch im übrigen
Deutschland war der Abfall allgemein, und die Fürsten sprachen bereits von einer
neuen Königswahl. Sie schrieben auf den tö.October einen Fürstentag nach Tribur
aus. Man verhandelte lange; denn der Papst hatte gerathen, nur in dem Falle, wenn
Heinrich sich nicht reumüthig dem Papste unterwerfe, zu einer neuen Wahl zu schreiten.
Der König weilte während dieser Berathung in Oppenheim und sandte täglich Gesandte
über den Rhein nach Tribur, durch welche er sich erbot, die Regierung den Fürsten zu
überlassen, wenn sie ihn nur als König behalten wollten, und sie beschwor, den Glanz
des deutschen Reiches nicht durch den Makel eines so schimpflichen Abfalls für alle
Zeiten zu trüben. Endlich verhandelten die Fürsten mit dem Könige in Oppenheim
selber. Sie verlangten, daß er sich dem Papste in allen Dingen unterwerfen, sich von