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einem Umritt über den Wall durch einen Sturz vom Pferde schwer verletzt hatte. Erst
im Jahre 1626 sollte es zu entscheidenden Kämpfen kommen.
Bisher hatte der Kaiser den Krieg mit ligistischen Truppen unter Tilly geführt,
er war also von der Liga und ihrem Führer abhängig gewesen. Da die Spanier von
den Engländern im Seekriege beschäftigt wurden, so konnte er auf deren Unterstützung
nicht hoffen, und die Errichtung eines selbständigen kaiserlichen Heeres schien darum
dringend geboten; aber niemand fand die Mittel, ein solches zu schaffen. Da erbot
sich Albrecht von Wallenstein *), ein schon damals durch militärische Fähigkeiten
und durch Reichthum hervorragender und angesehener böhmischer Edelmann, aus seine
Kosten ein Heer von 20,000 Mann zu werben und es unter des Kaisers Befehl zu
stellen. Dieses sollte der Kaiser auch nicht zu unterhalten haben, sondern durch ein
großartiges Raub- und Contributionssystem sollte es sich selbst ernähren. Die Be-
denken über das Gefährliche dieses Anerbietens überwog die drohende Gefahr, und der
Kaiser ernannte Wallenstein zu seinem Feldherrn. Als dieser seine Werbetrommeln
rühren ließ, lief ihm scharenweise das Kriegsvolk aus aller Herren Länder zu, und
in vier Wochen stand ein Heer schlagfertig da. „Brotloser und kriegslustiger Gesellen
*) Wallenstein (Waldstein) wurde am 15. September 1583 zu Prag von
protestantischen Eltern geboren; nachdem er früh verwaist war, erzogen ihn die Jesuiten
im Convict zu Olmütz und gewannen ihn für das katholische Bekenntnis. Schon früh
zeigte er eine ungewöhnliche Liebe zu allem, was sich auf den Krieg bezieht, und sein
Geist wurde gefesselt durch die Geheimnisse der Astrologie. Bald wurde er in das
kriegerische Leben hineingerissen, und zuerst in Ungarn gegen die Türken, dann in Italien
gegen die Venetianer und im böhmischen Kriege gegen die Mähren und gegen Bethlen
Gabor zeichnete er sich als tüchtiger und unerschrockener Führer aus. Durch seine erste
Heirath erwarb er bedeutendes Vermögen, und durch seine zweite Vermählung mit der
Gräfin Harrach trat er in nahe Beziehung zu der Umgebung des Kaisers, für den er
auch bei den böhmischen Unruhen sofort Partei ergriff. Der Kaiser lohnte seine Treue
durch die Schenkung der Herrschaft Fried la nd und Reichenberg in Böhmen. Von
der elfteren erhielt er 1624 den Herzogstitel mit einer ziemlich unabhängigen Stellung.
Außerdem erwarb er noch über 60 Güter geächteter böhmischer Edelleute und kam so
zu einem mehr als fürstlichen eigenen Grundbesitz. Diesem entsprechend machte er auch
fürstlichen Aufwand; in Prag erbaute er einen fürstlichen Palast, und das Schloß zu
Sagan soll er zum achten Wunder der Welt erhoben haben. „Jedermann, der in seine
Nähe kam, litt aber von seiner Launenhaftigkeit und feinem zurückstoßenden Wesen; im
Zorne war er seiner selbst nicht mächtig und schlug um sich. Er war mager, von
blasser, ins Gelbe fallender Gesichtsfarbe, mit kleinen, hellen, schlauen Augen. Früh
alterte er, fast immer litt er an Podagra. Aber in ihm lebte ein feuriger Impuls zu
unaufhörlicher Bewegung, Unternehmung und Erwerbung, ein ehrgeiziger Trieb, sich
nach allen Seiten geltend zu machen, die Macht und Bedeutung seines Hauses zu be-
gründen." Von seinen Soldaten wurde der überaus strenge Feldherr fast abgöttisch
verehrt und schenkten ihm diese das unbedingteste Vertrauen. Er übte einen dämonischen
Zauber auf das gemeine Kriegsvolk aus. „Wenn er durch das Lager schritt, im
Scharlachmantel, mit der rothen Feder auf dem grauen Hut, mit dem goldenen
Vließ Spaniens geschmückt, ergriff die Soldaten ein wunderliches Grauen. Sein ab-
geschlossenes schweigsames, mürrisches Wesen ließ Vertraulichkeit nicht aufkommen,. nur
Ehrfurcht und Unterwürfigkeit."