Full text: Lehrbuch der deutschen Geschichte für Seminare und höhere Lehranstalten

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Deutschlands klassische Literatur. 
zeigt hier, wie in seiner Geschichte von Würtemberg und von Hannover, an der Ver¬ 
gangenheit , welche Rechte seine Zeitgenossen gegen Fürsten und Privilegirte zu schützen hätten, 
aber als kluger Weltmann bricht er bei der Geschichte seiner Zeit ab. Auch in dem mit Meiners 
herausgegebenen götting. hist. Magazin lieferte Spittler vortreffliche Beiträge zur Aufhel¬ 
lung schwieriger und wichtiger Punkte der verschiedenen Staatengeschichten. — Den größten Ruhm 
als Geschichtschreiber erlangte Johannes von Müller aus Schaffhausen. Seine Empfänglich¬ 
keit für jede großartige Erscheinung in der Geschichte, so wie der Mangel fester Grundsätze 
und männlicher Gesinnung bewirkten, daß er bald für Volksfreiheit begeistert war, bald der un¬ 
umschränkten Herrschermacht, wo sie in großartiger Thatkraft sich kund that, das Wort redete. 
Seine eigenen wahren Ansichten treten nirgends hervor, weder wenn er in seiner G e sch i ch t e d e r 
Schweizer Eidgenossenschaft die Großthaten eines einfachen für Freiheit und Vaterland 
kämpfenden Volks schildert, noch wenn er in den vier und zwanzig B üch er n Allgemei¬ 
ner Geschichte bald die Herrlichkeit eines Ludwigs XIV. oder die großartige Wirksamkeit eines 
Zaar Peter preist, bald sich für die Heldenthaten und den Frciheitssinn der griech. und röm. Vor¬ 
zeit begeistert; noch wenn er, wie in seinen Reisen der Päpste, der römischen Curie das 
Wort redet, oder durch glänzende Schilderung der Ritterzeit dem Adel schmeichelt. Er schuf ob¬ 
jective Kunstwerke, die den Eindruck eines Epos machten und eine mächtige poetische Wirkung her¬ 
vorbrachten. Aber zwei Dinge wcrocn mit Recht an ihm getadelt, sein bombastischer rhetorisch 
ausgeschmückter Stil, bet dem er Tacitus zum Vorbild nahm, und seine Characterschwäche und 
Gesinnungslosigkeit im Leben. Auf dem schlüpfrigen Boden, aus den ihn Geschick und Eitelkeit 
geführt, bewegte er sich mit unsicherm Tritt. Er machte in Mainz den Höfling der geistlichen 
Herren, in Wien den Schmeichler der Fürsten und Vornehmen und endete als Minister des schwach¬ 
sinnigen Hieronymus Bonaparte in Cassel und als Lobredner der Napolconischen Militärdespotie. 
— In vielfacher Berührung mit Müller, aber an Charakter, Gesinnung und LcbenSglück gänzlich 
von ihm verschieden, stand Georg Förster. Schon als Knabe machte er mit seinem Vater die 
Cvoksche Entdeckungsreise uin die Welt mit und erwarb sich als Züngling durch die anziehende 
Beschreibung derselben einen literar. Namen. Seinem unternehmenden Geist waren die deutschen 
Verhältnisse zu enge; er sehnte sich nach einem großartigern Wirkungskreise, als ihm seine Lehr¬ 
ämter in Cassel, Wilna und Mainz darboten. Die franz. Revolution ergriff ihn mächtig; sie 
schien ihm das Glück der Freiheit zu bringen, dessen Ahnungen im Grunde seiner Seele lagen, 
er stürzte sich in den Strudel, in dem er gebrochenen Herzens umkam (§. 696). Abhandlungen 
verschiedener Art und Briefe gaben Zeugniß von seinem edeln Streben und Charakter, wie von sei¬ 
nem scharfen Beobachtungssinn für alles Schöne und Eigenthümliche in Natur, Kunst und Völ- 
kerlcbcn. 
II. K l o p st o ck. 
§.65. Sein Leben. Frie dr. G o tt lie b Kl opsto ck wurde in Qued¬ 
linburg geboren. Schon als Knabe verband er mit einem frommen gläubigen Ge¬ 
müthe, das seine Mutter gepflegt, einen kräftigen, fröhlichen, von seinem rüstigen 
Vater und der freien Natur geweckten Sinn. Aus der guten Lehranstalt in Schul¬ 
pforte sog er Begeisterung für die klassische Literatur des Alterthums ein; ihr ent¬ 
nahm er die Kraft der Rede, die Mannichfaltigkeit des Versbaus, den Schwung und 
die Musik der poetischen Sprache und den Flug der Phantasie, die sich in seinen 
Oden finden. Dort entwickelte sich auch sein Hang zur Empfindsamkeit, der sich 
in der Liebe zur Natur und Einsamkeit äußerte und eine elegische Stimmung in 
ihm erzeugte. Das Bedürfniß der Freundschaft, das mit aller Stärke in ihm er¬ 
wachte, führte ihn dem Leipziger Bund zu; er stimmte in die heitere Geselligkeit, 
wie in die sehnsüchtige Schwermuth des Kreises ein und machte in den Bremer 
Beiträgen die 3 ersten Gesänge der Messistde bekannt (1748), die in ganz 
Deutschland" eine so enthusiastische Bewunderung erregten, daß er als der Schöpfer 
einer neuen Epoche der Literatur begrüßt wurde. Eine unerwiederte Liebe zu der 
Schwester (Fannys eines seiner Freunde erhöhte die schwermüthige und empfindsame
	        
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