Full text: Neueste Geschichte seit 1815 bis zur Gegenwart (Teil 4)

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ihr Vermögen anzueignen; sie nahmen ihnen gewaltsam ihre Frauen und 
Töchter. Besonders die Landleute waren ohne jeden Schutz; viele verließen 
daher verzweifelt ihren Acker und zogen in die Berge, um als Räuber 
(Klephthen) Rache an ihren Peinigern zu üben. In den Städten gab es 
zwar für schweres Geld noch Richter; aber gegen die Religionswut des 
türkischen Pöbels konnten auch sie nicht schützen. — Der große Völker¬ 
sturm, der seit 1789 über Europa dahiubrauste und so manchem Bedrückten 
die Freiheit brachte, hatte auch in dem geknechteten Griechenvolke den Mut 
zur Auflehnung geweckt. Stets wach erhalten wurde er durch einen Ge- 
Heimbund, den „Bund der Freunde" (Hetärie der Philiker), der bald alle 
hervorragenden Griechen umfaßte. An seiner Spitze stand Alexander 
Apsilanti, ein vornehmer Grieche in russischen Diensten. 
II. Verlauf des Kampfes. 1. Kampf mit wechselndem Glück. 
Im Jahre 1821 rief Alexander Apsilanti die Bewohner der Wallachei und 
Moldau zur Empörung auf, indem er ihnen die Hilfe des russischen Kaisers 
versprach. Doch diese blieb aus, und der Freiheitsheld mußte den an- 
rückenden Türken weichen und auf österreichisches Gebiet übertreten. Hier 
ließ ihn Metternich in der Feste Munkacs in Ungarn (bis 1827) gefangen 
halten. — Aber schon hatte sich in Süd- und Mittelgriechenland und auf 
den Inseln das Volk erhoben. Als die Kunde davon nach Konstantinopel 
kam, schäumte der türkische Pöbel vor Wut; er drang am Osterfeste in 
die griechische Kirche ein, riß den Patriarchen vom Hochaltare fort und 
hängte ihn mit seinen Geistlichen an dem Haupttore der Kirche auf. Viele 
Hundert vornehmer Griechen wurden in Konstantinopel und den übrigen 
Städten des Reiches hingerichtet oder verbannt. Die Fürsten Europas 
verschlossen ihr Ohr gegen die Hilferufe des gemarterten Volkes; denn 
Metternich bezeichnete die Griechen als Empörer gegen ihren gesetzmäßigen 
Herrscher, denen man nach den Grundsätzen der Heiligen Allianz nicht 
helfen dürfe. 
Ganz anders aber empfanden die Völker Europas. Es entstand über- 
all eine große griechenfreundliche Begeisterung. Sie fand in Deutschland 
ihren Ausdruck in Wilhelm Müllers „Griechenliedern." Scharen von 
Griechenfreunden zogen nach dem Hellas, um in die Reihen der Freiheits- 
kämpfer zu treten. Der berühmteste unter ihnen war der englische Dichter 
Lord Byron, der seine Kunst, sein Vermögen und seine Tatkraft der Sache 
Griechenlands widmete, wo Klima und Anstrengung ihm bald den Tod 
gaben. Hilfsvereine in allen Ländern sammelten Geldmittel zur Unter- 
stützung der Freiheitskämpfer. Der Krieg zog sich mit wechselndem Glück 
vier Jahre lang hin und wurde auf beiden Seiten mit unmenschlicher 
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