Full text: Neueste Geschichte seit 1815 bis zur Gegenwart (Teil 3)

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2. Quelle: Adresse des Norddeutschen Reichstages an König Wilhelms. 
Fundort: L. Hahn, Kaiser Wilhelms Gedenlbuch. S. 371. 
Aus den Ruf Ew. Majestät hat das Volk um seine Führer sich geschart, und 
auf fremdem Boden verteidigt es mit Heldenkraft das frevelhaft herausgeforderte 
Vaterland. Ungemessene Opfer fordert der Krieg; aber der tiefe Schmerz über 
den Verlust der tapferen" Söhne erschüttert nicht den entschlossenen Willen der 
Nation, welche nicht eher die Waffen ablegen wird, bis der Friede durch gesicherte 
Grenzen besser verbürgt ist gegen wiederkehrende Angriffe des eifersüchtigen Nachbarn. 
Dank den Siegen, zu denen Ew. Majestät die Heere Deutschlands in treuer 
Waffengenossenschaft geführt hat, sieht die Nation der dauernden Einigung ent¬ 
gegen. 
Vereint mit den Fürsten Deutschlands naht der Norddeutsche Reichstag mit 
der Bitte, daß es Ew. Majestät gefallen möge, durch Annahme der deutschen 
Kaiserkrone das Einigungswerk zu weihen. 
Die deutsche Krone auf dem Haupte Ew. Majestät wird dem wieder auf- 
gerichteten Reiche deutscher Nation Tage der Macht, des Friedens, der Wohlfahrt 
und der im Schutze der Gesetze gesicherten Freiheit eröffnen. 
Das Vaterland dankt dem Führer und dem ruhmreichen Heere, an dessen 
Spitze Ew. Majestät heute noch auf dem erkämpften Siegesfelde weilt. Un- 
vergessen für immer werden der Nation die Hingebung und die Taten ihrer 
Söhne bleiben. Möge dem Volke bald vergönnt sein, daß der ruhmgekrönte 
Kaiser der Nation den Frieden wiedergibt! Mächtig und siegreich hat sich das ver- 
einte Deutschland im Kriege bewährt unter seinem höchsten Feldherrn; mächtig 
und friedliebend wird das geeinigte Deutsche Reich unter seinem Kaiser sein. 
Eurer Königlichen Majestät alleruntertänigster, treugehorsamster 
Reichstag des Norddeutschen Bundes. 
65. 
Das Widerstreben König Wilhelms gegen den Kaisertitel. 
Quelle: Bismarck a. ct. O. Bd. 2. S. 115—122. 
Die Annahme des Kaisertitels durch den König bei Erweiterung des Nord- 
deutschen Bundes war ein politisches Bedürfnis, weil er in den Erinnerungen aus 
Zeiten, da er rechtlich mehr, faktisch weniger als heut zu bedeuten hatte, ein 
werbendes Element für Einheit und Zentralisation bildete, und ich war überzeugt, 
daß der festigende Druck auf unsere Reichsinstitutionen um so nachhaltiger sein 
müßte, je mehr der preußische Träger desselben das gefährliche, aber der deutschen 
Vorgeschichte innelebende Bestreben vermiede, den anderen Dynastien die Uber- 
legenheit der eigenen unter die Augen zu rücken. König Wilhelm I. war nicht frei 
von der Neigung dazu, und sein Widerstreben gegen den Titel war nicht ohne 
Zusammenhang mit dem Bedürsnisse, gerade das überlegene Ansehen der an- 
gestammten preußischen Krone mehr als das des Kaisertitels zur Anerkennung zu 
x) Die Adresse wurde am 10. Dezember 1870 beschlossen und am 18. Dezember in 
einer einfachen, aber ergreifenden Feier durch eine Abordnung des Reichstages dem 
Könige in Versailles überreicht. An der Spitze dieser Abordnung stand der Präsident des 
Reichstages Dr. Simson, derselbe, der schon einmal als Sprecher des deutschen Volkes 
einem preußischen Könige die Kaiserkrone angetragen hatte. (Vgl. Nr. 19.)
	        
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