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92.
Die Erwerbung Helgolands.
1890.
Quelle: Rede Kaiser Wilhelms II. am 10. August 18901)
Fundort: Johs. Penzler a. a. O. Bv. 1. S. 122 und 123.
Vier Tage sind es her, daß wir den denkwürdigen Tag der Schlacht bei
Wörth feierten, an bem unter meinem hochseligen Großvater von meinem Herrn
Vater der erste Hammerschlag zur Errichtung des neuen Deutschen Reiches ge-
führt wurde. Heute nach zwanzig Jahren verleibe ich diese Insel als das letzte
Stück deutscher Erde dem deutschen Vaterlande wieder ein ohne Kampf und ohne
Blut. Das Eiland ist dazu berufen, ein Bollwerk zur See zu werden, den deutschen
Fischem ein Schutz, ein Stützpunkt für meine Kriegsschiffe, ein Hort und Schutz
für das deutsche Meer gegen jeden Feind, dem es einsallen sollte, auf demselben
sich zu zeigen.
Ich ergreife hiermit Besitz von diesem Lande, dessen Bewohner ich begrüßt
habe, und befehle zum Zeichen dessen, daß meine Standarte und daneben die
meiner Marine gehißt werde.
93.
Die Eröffnung des Kaiser-Wilhelm-Kanals.
21. Juni 1895.
Quelle: Trinkspruch Kaiser Wilhelms am 21. Juni 1895 bei der Fest¬
tafel in Kiel.
Fundort: Johs. Penzler o. o. O. Bd. 1. S. 306—308.
Mit Freude und Stolz blicke ich auf diese glänzenbe Festversammlung, und
zugleich im Namen meiner hohen Verbündeten heiße ich Sie alle, die Gaste des
Reiches, herzlich willkommen. Innigen Dank sprechen wir aus für die Teilnahme,
die uns bei Vollendung eines Werkes geworden, das, in Frieden geplant und in
Frieden gebaut, heute dem allgemeinen Verkehr übergeben ist.
Nicht erst in unseren Tagen ist der Gedanke, die Nord- und Ostsee durch
einen großen Kanal zu verbinden, entstanden; weit zurück bis in das Mittelalter
hinein finden wir Vorschläge und Pläne zur Verwirklichung dieses Unternehmens,
und im verflossenen Jahrhundert ward der Eiderkanal gebaut, der, ein rühm-
liches Zeugnis für die Leistungsfähigkeit der damaligen Zeit ablegend, doch nur
für den kleineren Schiffsverkehr bestimmt, den gesteigerten Anforderungen der
Jetztzeit nicht zu genügen vermochte. Dem neu begründeten Deutschen Reiche
blieb es vorbehalten, die große Ausgabe einer befriedigenden Lösung entgegen-
zuführen.
Mein verewigter Herr Großvater, Kaiser Wilhelms des Großen Majestät, war
es, der in richtiger Erkenntnis der Bedeutung des Kanals für die Hebung des
nationalen Wohlstandes und für die Stärkung unserer Wehrkraft nicht müde wurde,
dem Plane des Baues einer leistungsfähigen Wasserstraße zwischen Nord- und
Ostsee seine fördernde Teilnahme zuzuwenden und die mannigfachen Schwierig-
!) Diese Ansprache richtete der Kaiser an die Marinetruppen, nachdem der Staats-
fekretär von Bötticher eine Proklamation an die Helgoländer verlesen hatte.
W. u. O, Heinze-Kinghorst, Quellcnlesebuch III. 11