Full text: Neueste Geschichte seit 1815 bis zur Gegenwart (Teil 3)

— 46 - 
Dies hohe Vermächtnis meiner Ahnen, welches sie in unablässiger Sorge, 
mit ihrer besten Kraft, mit Einsetzung ihres Lebens gegründet und gemehrt 
haben, will ich getreulich wahren. Mt Stolz sehe ich mich von einem so treuen 
und tapferen Volke, von einem so ruhmreichen Heere umgeben. 
Meine Hand soll das Wohl und das Recht aller in allen Schichten 
der Bevölkerung hüten, sie soll schützend und fördernd über diesem 
reichen Leben walten. Es ist Preußens Bestimmung nicht, dem Genüsse der 
erworbenen Güter zu leben. In der Anspannung seiner geistigen und sittlichen 
Kräfte, in dem Ernste und der Aufrichtigkeit seiner religiösen Gesinnung, in der 
Bereinigung von Gehorsam und Freiheit, in der Stärkung seiner Wehrkraft 
liegen die Bedingungen seiner Macht; nur so vermag es seinen Rang unter den 
Staaten Europas zu behaupten. 
Ich halte fest an den Traditionen meines Hauses, wenn ich den Vater- 
ländischen Geist meines Volkes zu heben und zu stärken mir vorsetze. Ich will 
das Recht des Staates nach seiner geschichtlichen Bedeutung befestigen und aus- 
bauen und die Institutionen, welche König Friedrich Wilhelm IV. ins Leben 
gerufen hat, aufrecht erhalten. Treu dem Eide, mit dem ich die Regent- 
schaft übernahm, werde ich die Verfassung und die Gesetze des König- 
reichs schirmen. Möge es mir unter Gottes gnädigem Beistande gelingen, 
Preußen zu neuen Ehren zu führen! 
Meine Pflichten für Preußen fallen mit meinen Pflichten für Deutschland 
zusammen. Als deutschem Fürst liegt mir ob, Preußen in der Stellung zu kräs- 
tigen, welche es vermöge seiner ruhmvollen Geschichte, seiner entwickelten Heeres- 
Organisation unter den deutschen Staaten zum Heile aller einnehmen muß. 
Das Vertrauen auf die Ruhe Europas ist erschüttert. Ich werde mich be- 
mühen, die Segnungen des Friedens zu erhalten. Dennoch können Gefahren für 
Preußen und Deutschland heraufziehen. Möge dann jener Gott vertrauende Mut, 
welcher Preußen in seinen großen Zeiten beseelte, sich an mir und an meinem Volke 
bewähren und dasselbe mir auf meinen Wegen in Treue, Gehorsam und Aus- 
dauer fest zur Seite stehen! Möge Gottes Segen aus den Aufgaben ruhen, 
welche sein Ratschluß mir übergeben hat. 
Berlin am 7. Januar 1861. Wilhelm. 
27. 
Die Heeresreorganisation — des Königs „eigenstes Werk". 
.1862. 
Quelle: Ansprache des Königs an verschiedene Abordnungen am 
21. Oktober 1862. 
Fundort: L. Hahn a. a. O. S. 124. 
Es ist sehr schmerzlich für einen Monarchen, seine besten Absichten verkannt 
und entstellt zu sehen, wie ich das leider jetzt so vielfach erfahren habe. Bei 
solchen Anfechtungen ist es schwer, nicht irre zu werden, sondern fest zu stehen. 
Was die Militär-Reorganisation betrifft, so ist diese mein eigenstes Werk 
und mein Stolz, und ich bemerke hierbei, es gibt kein Boninsches^) und kein 
Roonsches Projekt; es ist mein eigenes, und ich habe daran gearbeitet nach 
*) Eduard von Bonin war preußischer Kriegsminister von 1852—1854 und 1858 und 1859.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.