Full text: Deutsche, vornehmlich brandenburgisch-preußische Geschichte bis 1815 (Teil 2)

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bürg bringt, und einer davon wurde der Königin gebracht. Das ist sehr schön und 
ehrenvoll, aber es ist doch kein Sieg 
16. Juni. Heute war ein schrecklicher Tag. Wir erfuhren, daß die Franzosen 
auf Königsberg marschieren, und daß Lestocq gezwungen worden ist, zurück-- 
zuweichen... Bennigsen hat die Schlacht bei Friedland am 14. verloren, Lestocq 
hat sich auf Labiau zurückgezogen. Die Königin war in Verzweiflung, der König 
ganz gebrochen, Hardenberg allein ruhig, aber auch sehr gebeugt 
26. Juni. Heute war ein sehr trauriger Tag für die arme Königin, aber auch 
für mich und alle, die ihr Vaterland lieben. Es hat eine Zusammenkunft der 
drei Monarchen stattgefunden. Der Ort, wo sie sich trafen, ist ein kleines Haus 
auf der Brücke vor Tilsit. Die arme Königin weinte lange 
28. Juni. Heute kam ein Brief des Königs an die Königin über die Zu* 
sammenkunst am 26. Dieser elende Napoleon hat den König mit gesuchter Gleich- 
gültigkeit und Kälte behandelt, und er schreibt sehr aufgeregt und entrüstet. Es 
waren zwei kleine Häuschen auf der Brücke über die Memel errichtet; in dem 
einen waren die beiden Kaiser, in dem anderen der König. Welche Insolenz 
gegen ihn! Auch aßen die beiden Kaiser dann zusammen in Tilsit, unser König 
mußte allein in einem Dorfes, eine Meile von der Stadt, bleiben. Welch ertU 
setzliche Friedensbedingungen werden wir bekommen nach einem Vorspiel von so 
ausgesuchter Feindseligkeit und solchem Übermut! 
3. Juli. Wir erhielten den Befehl des Königs, nach Tilsit zu kommen, und 
das bereits morgen. Alle in wahrer Verzweiflung! 
4. Juli. Um 8 Uhr früh abgereist, das Herz voll Kummer. . . Mit den 
Relais erhielt die Königin einen Brief des Königs, der ihr sagte, daß er Harden- 
berg entlassen müsse, weil Napoleon es unbedingt verlange. Wie schändlich und 
schmachvoll ist das allein schon! Endlich kamen wir in dem Dorfe Piktupönen an: 
Hardenberg kam gleich herbei, aber er ist ganz trostlos ..... 
5. Juli. . . . Kalkreuth hatte geschrieben, daß, wenn die Königin nach Tilsit 
käme, Napoleon ihr dort seinen Besuch machen werde, und daß sie zum Diner bei 
ihm geladen sei, das gegen 9 Uhr abends stattfände 
6. Juli. Um 4 Uhr fuhren wir fort mit einer Eskorte der Garde du Corps 
über die fliegenden Brücken, waren um 5 Uhr in Tilsit und stiegen in dem Quar- 
tier des Königs ab. Eine Viertelstunde später kam Napoleon. Ich empfing ihn 
mit der Gräfin Tauenzien am Fuße der Treppe. Er ist auffallend häßlich, ein 
dickes, aufgedunsenes, braunes Gesicht; dabei ist er korpulent, klein und ganz ohne 
Figur; seine großen, runden Augen rollen unheimlich umher; der Ausdruck seiner 
Züge ist Härte; er sieht aus wie die Verkörperung des Erfolges. Nur der Mund 
ist schön geschnitten, und auch die Zähne sind schön. Er war äußerst höflich, 
sprach sehr lange Zeit allein mit der Königin, und dann fuhr er fort. Gegen 
8 Uhr begaben wir uns zu ihm, da er aus Rücksicht für die Königin sein Diner 
früher bestellt hatte. Während der Tafel war er sehr guter Laune und sprach sehr 
viel mit mir. Nach Tische hatte er eine lange Konversation mit der Königin, die 
auch ziemlich zufrieden mit deren Ergebnis war. Gott wolle geben, daß es zu 
etwas hilft! Wir kamen um Mitternacht nach Piktupönen zurück 
7. Juli. ... Als wir beim König abgestiegen waren, erfuhren wir von diesem, 
daß Napoleon alles, was er am gestrigen Tage der Königin versprochen, bereits 
x) Piktupönen.
	        
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