I.
Aus der Urzeit unseres Volkes.
1.
Die Germanen zur Zeit Casars.
Um 50 vor Christo.
Quelle: Julius Cäsar, Denkwürdigkeiten des Gallischen Krieges
(Lateinisch)^). Buch VI, Kap. 21—23. Buch IV, Kap. 1—3.
Übersetzung: I. Hörtel und W, Wattenbach. Die Römerkriege. 1. «bt. S. Aufl. Leipzig o. I.
(Gesch»chtschreiber der deutschen Borzeit.-) 2. «esamtautgabe. Ba»d l.) S. 104—106. ®. 53—60.
VI, 21 Die Germanen haben weder Druiden3), um dem Gottesdienst
vorzustehen, noch kümmern sie sich viel um Opfer. Zur Zahl der Götter rechnen
*) Die sieben Bücher über den Gallischen Krieg behandeln die Eroberung Galliens
durch die Römer, und zwar berichten sie über die Ereignisse der Jahre 58—52. Cäsar ex*
Zählt selbst von seinen Zügen; er tut das so sachlich und leidenschaftslos, als ob es sich
mcht um eigne, sondern um fremde Taten handle. Und doch schreibt er diese Denkwürdig-
keiten im eigensten Interesse: er will durch sie seine Taten und seine Politik recht-
fertigen. Darum sind manche Tatsachen in ein falsches Licht gestellt, andere ganz aus-
gelassen. Die Darstellung ist einfach und knapp. Sie entbehrt jedes rednerischen und
dichterischen Schmuckes und ist doch schön, klar und wirkungsvoll. Für uns ist es wichtig,
öaß Cäsar während des Gallischen Krieges vielfach mit Germanen in Berührung kam und
sogar zweimal (in den Jahren 55 und 53) über den Rhein in das germanische Gebiet
eindrang. Was er bei diesen Gelegenheiten über unsere Vorfahren erfuhr, ergänzte er
nach den Mitteilungen landeskundiger Römer und Gallier. Die so gesammelten Kenntnisse
vereinigte er zu Aufzeichnungen, die er seinen Denkwürdigkeiten beifügte. Diese Aus-
Zeichnungen geben uns die ersten einigermaßen ausführlichen und zuverlässigen Nachrichten
über das öffentliche und private Leben unserer Vorfahren.
*) Nach der Beendigung der Freiheitskriege versenkte man sich überall mit vieler
Liebe und großer Begeisterung in die Vergangenheit des deutschen Volkes. Dabei machte
sich bald das Bedürfnis geltend, die vorhandenen Quellen, die weit verstreut in den
juchiven lagen, zu bequemer Benutzung und in der besten Überlieferung leicht und
Ichnell zur Verfügung zu haben. Um den vorhandenen Mangel zu heben, bildete sich im
äa7lei . Anregung des Freiherrn vom Stein die „Gesellschaft für ältere deutsche
Geschichtskunde . Diese Vereinigung, die später eine von der Berliner Akademie der Wissen-
schaften gebildete Zentraldirektion ablöste, nahm die Sammlung, Sichtung und Herausgabe
unserer Quellenschätze in die Hand; durch ihre Fürsorge entstand in emsiger Arbeit allmählich
unsere große nationale Quellensammlung: die Monumenta Germaniae historica. Dieses
große Quellen- und Urkundenwerk ist ein Mittelpunkt der deutschen Geschichtsforschung ge-
wotöen. Es gliedert sich nach den Quellenarten in fünf Abteilungen (Geschichtschreiber,
Gesetze, Urkunden, Briefe und Altertümer) und umfaßt eine recht stattliche Anzahl ge-
wichtiger Follo- und Quartbände. Ursprünglich sollte es bis zum Ausgang des Mittel-
alters reichen; bis jetzt ist aber im wesentlichen nur die Zeit bis zum Ende des 13. Jahr-
Hunderts behandelt worden. Von den wichtigsten Berichten der Geschichtschreiber (Lorip-
tor«8), die die am weitesten gediehene erste Abteilung bilden, hat die Leitung des Ge-
lamtunternehmens Ubersetzungen veröffentlicht, damit man auch in nichtgelehrten Kreisen
rne)e Stimmen aus unserer eigenen Vorzeit unmittelbar vernehmen könne. Und Gelehrte,
/~ £a$mann und Ranke, haben sich gern in den Dienst dieser batet-
KÄ" ?arfle Stellt. So entstanden denn seit 1849 die „Geschichtschreiber der deutschen
' *>tc bereits m zweiter Gesamtausgabe erschienen sind. Diesen von führenden
Historikern und Germanisten besorgten Ubersetzungen sind wir durchgehend gefolgt.
) Keltische Pnester; Cäsar spricht vorher von den Galliern.
W. «. O. Heinze-Kinghorst, Quellenlesebuch. I. 1