Full text: Deutsche Geschichte bis 1648 (Teil 1)

IV, 1 Der Stamm der «Sueben1) ist bei weitem der größte und 
kriegerischste von allen Germanen. Sie haben, wie es heißt, hundert Gaue; aus 
jedem lassen sie alljährlich tausend Mann Bewaffnete, um Krieg zu führen, aus 
ihrem Gebiet ausziehen. Die übrigen, welche zu Hause geblieben sind, ernähren 
sich und jene. Diese wiederum stehen zur Abwechslung das Jahr darauf unter 
den Waffen; jene bleiben zu Hause. So wird weder der Ackerbau, noch Geschick 
und Übung im Kriege je außer acht gelassen. Indessen Privatländereien und ge- 
sonderte Äcker gibt es bei ihnen nicht, und es ist nicht erlaubt, länger als ein 
Jahr auf einer und derselben Stelle behufs ihrer Behausung zu bleiben. Auch 
bildet das Getreide keinen großen Teil ihrer Nahrung; den größten bildet Milch 
und Fleisch; auch sind sie viel auf der Jagd. Dies nährt, durch die Art der 
Speise und die tägliche Übung und die Ungebnndenheit des Lebens — indem sie, 
von Kind auf an keine Pflicht und Zucht gewöhnt, durchaus gar nichts wider 
ihren Willen tun — die Kräfte und macht sie zu Menschen von ungeheurer 
Körpergröße. Überdies haben sie sich der Gewohnheit ergeben, in dem kalten 
Lande gar keine Kleidung zu tragen, außer Fellen, deren Kleinheit einen großen 
Teil ihres Körpers bloß läßt, und in den Flüssen zu baden. 
2. Kaufleuten verstatten sie mehr deshalb den Zugang, um Gelegenheit zu 
haben, was sie im Kriege erbeuteten, zu verkaufen, als daß sie nach der Ein- 
fuhr von irgend etwas Verlangen trügen. Sogar von Zugvieh, das der Gallier 
größte Freude ausmacht und um beträchtlichen Preis von ihnen gekauft wird, 
brauchen die Germanen keine eingeführten Stücke; sondern, wie sie bei ihnen ge- 
zogen werden, schlecht gebaut und mißgestaltet, machen sie sie durch tägliche 
Übung der größten Anstrengungen fähig. In den Reitertreffen springen sie oft 
von den Pferden herunter und kämpfen zu Fuß; sie gewöhnen die Pferde, auf 
demselben Punkt stehen zu bleiben; zu ihnen ziehen sie sich, wenn es rätlich ist, 
eilends zurück. Nichts gilt nach ihren Sitten für schimpflicher und mattherziger, 
als Sättel zu gebrauchen. Daher wagen sie, wenn sie auch nur wenige sind, auf 
jedwede Anzahl Reiter, die in Sätteln sitzen, loszugehen. Wein lassen sie durchaus 
nicht zu sich einführen, weil sie meinen, daß dadurch die Leute zur Ertragung von 
Anstrengungen zu weichlich und weibisch gemacht werden. 
3. Für das Gemeinwesen glaubten sie, sei es höchster Ruhm, wenn von ihren 
Grenzen ab möglichst weit das Ackerland brach liege; dadurch werde angedeutet, 
daß eine große Anzahl Gemeinden gegen ihre Gewalt nicht standzuhalten ver- 
mögen. Daher liegen, wie es heißt, auf der einen Seite von der Suevengrenze 
ab ungefähr sechzigtausend Schritt Ackerland brach. Auf der anderen Seite schließen 
sich die Ubier an, einst eine — nach germanischen Begriffen — umfangreiche und 
blühende Gemeinde und etwas menschlicher, als die übrigen desselben Völker- 
stammes, deshalb, weil sie an den Rhein stoßen und Kaufleute viel bei ihnen 
aus- und eingehen und sie sich auch selbst wegen der Nachbarschaft an die 
gallischen Sitten gewöhnt haben. Obwohl die Sueven, die sich in vielen Kriegen 
mit ihnen maßen, sie wegen der Größe und Bedeutsamkeit der Gemeinde nicht 
aus ihrem Gebiet zu verdrängen vermochten, haben sie sie dennoch zinspflichtig 
gemacht und ihre Stellung und Macht sehr verringert. 
1) Was hier von den Sueven gesagt wird, gilt ohne Zweifel auch von den übrigen 
Germanen.
	        
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