Full text: Die Hohenzollern und das deutsche Vaterland (Teil 2)

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dabei sein und alles Menschenmögliche tun, um einen Umschwung des 
Glücks herbeizuführen. Übrigens ist es gut, mein Freund, daß die Könige 
wie alle andern Menschen manchmal vom Unglück heimgesucht werden. 
Eitelkeit und Hoffart können wie das Fieber den Menschen zu Verhängnis- 
vollen Taten verleiten. Ich gestehe Ihnen, daß ich noch nicht begreife, 
wie wir überrumpelt werden konnten; es war nur möglich bei äußerster 
Nachlässigkeit unsrer Vorposten" . . . 
c. Friedrich der Große und Geliert in Leipzig. 
Dahlener Antiquarius oder Beiträge zur Geschichte der Stadt Dahlen nebst 
Umgegend. I. Teil. Gellerts Briefe an Fräulein von ©chimfeld. Leipzig 1861. Nr. 53. 
S. 151 ff. 
Während des Winters 1760/61 hielt sich Friedrich in Leipzig auf, beschäftigt mit 
den Vorbereitungen zum neuen Feldzuge, und nach seiner Art jeden Augenblick, den ihm 
die Sorge und die Arbeit seines Berufes übrig ließen, mit künstlerischem Genuß oder 
wissenschaftlichem Studium ausfüllend. Damals lernte er hier auch im Dezember den 
Dichter Christian Fürchtegott Gellert kennen und schätzen. Gellert schreibt selber über 
diese Begegnung in einem Briefe vom 12. Dezember 1760 an Fräulein Erdmnthe von 
Schönfeld folgendes: 
Gnädiges Fräulein? Gestern nachmittag halb drei Uhr sitze ich mit 
verschlossener Türe und lese zu meiner Erbauung in den Psalmen. Kaum 
habe ich zu lesen angefangen, so pocht jemand sehr ungestüm an meine 
Tür. In der Angst rufe ich: herein! und öffne die Türe und sehe zu 
meinem Schrecken einen Offizier vor mir stehen. — Ich bin der Major 
Quintus. Der König läßt bitten, daß Sie ihn um drei Uhr besuchen möchten. 
— Herr Major, ich muß mich niedersetzen, ich bin erschrocken, daß ich zittere. 
Sie sehen, daß ich krank bin (ich war in vier Tagen nicht barbiert, hatte 
eine Nachtmütze auf und mochte blaß wie der Tod aussehen), und ich schicke 
mich nicht für den König. — Herr Professor, ich sehe, daß Sie krank sind, 
und Sie sind nicht gezwungen, heute zum Könige zu gehen. Fürchten Sie 
nichts, ich bin Ihr Freund und ein großer Verehrer Ihrer Schriften; trauen 
Sie mir, Sie haben nichts bei dem Könige zu fürchten. Sie gewinnen aber 
auch nichts, wenn Sie heute zu Hause bleiben, denn ich komme morgen und 
übermorgen wieder und immer so fort. Jetzt will ich Ihnen drei Viertel- 
stunden Zeit geben, wenn Sie sich umziehen wollen, und um halb vier Uhr 
wieder bei Ihnen sein. Leben Sie wohl; der König will Sie ohne Aus- 
nähme sehen. — Nun war er fort; Goedicke (fein Bedienter) war nicht da, 
ich hatte feinen Barbier, keine Perücke, nichts, keinen Menschen um mich; 
aber kurz zu reden, ich ward um halb vier Uhr mit meinem Anzüge fertig, 
als der Major kam, und um vier Uhr waren wir schon beim Könige. NB. Ehe 
ich ging, betete ich, daß ich nichts wider mein Gewissen reden möchte. 
Der König: Ist Er Professor Gellert? Ich habe Ihn gern sprechen 
wollen. Der englische Gesandte hat mir Seine Schriften noch heute sehr 
gelobt. Sind sie denn wirklich schön? Gelehrt mögen die Deutschen wohl 
schreiben; aber sie schreiben nicht mit Geschmack. — Ich: Ob meine Schriften 
schon sind, das kann ich selbst nicht sagen, Sire, aber ganz Deutschland 
sagt es und ist mit mir zufrieden; ich selbst bin es nicht. — Der König: 
Er ist sehr bescheiden. — Ich: Diese Tugend, Ihre Majestät, ist mir 
natürlich, und ein guter Autor kann niemals glauben, daß er schön genug 
geschrieben habe. -— Der König: Aber warum nötigen uns die deutschen
	        
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