Full text: Die Hohenzollern und das deutsche Vaterland (Teil 2)

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zwischen dem Kutscherbock und dem Wagenkasten wenigstens vier Fuß 
Raum, der Kasten selbst birnenförmig, unten spitz und oben ausgebaucht. 
Der Wagen hielt, und der König sagte zu seinem Kutscher, dem berühmten 
Pfund: Ist das Dolgelin? Ja, Jhro Majestät! — Hier will ich bleiben. 
Nein, sprach Pfund, die Sonne ist noch nicht unter. Wir kommen noch 
recht gut nach Müncheberg, und dann sind wir morgen viel früher in 
Potsdam. — Na! — wenn es sein muß! Und damit wurde angespannt. 
Die Bauern, die von weitem ganz still mit ehrerbietig gezogenen Hüten 
standen, kamen sachte näher und schauten den König begierig an. "(Sine 
alte Semmelfrau aus Lebbenichen nahm mich auf den Arm und hob mich 
gerade am Wagenfenster in die Höhe. Ich war nun höchstens eine Elle 
weit vom König entfernt, und es war mir, als ob ich den lieben Gott 
ansähe. Er sah ganz gerade vor sich hin durch das Vorderfenster. Er 
hatte einen ganz alten dreieckigen Montierungshut auf, dessen Hintere gerade 
Krempe hatte er vorn gesetzt und die Schnüre los gemacht, so daß diese 
Krempe vorn herunterhing und ihn vor der Sonne schützte. Die Hut- 
schnüre waren losgerissen und tanzten auf der heruntergelassenen Krempe 
umher, die weiße Generalsfeder im Hute war zerrissen und schmutzig; die 
einfache blaue Montierung mit roten Aufschlägen, Kragen und goldenem 
Achselband alt und bestaubt, die gelbe Weste voll Tabak; — dazu hatte 
er schwarze Samthosen an. Ich dachte immer, er würde mich anreden. 
Ich fürchtete mich gar nicht, hatte aber ein unbeschreibliches Gefühl von 
Ehrfurcht. Er tat es aber nicht, sondern sah immer gerade aus. Die 
alte Frau konnte mich nicht lange hoch halten und setzte mich immer wieder 
herunter. Da sah der König den Prediger, winkte ihn heran und fragte, 
wessen Kind das sei? Des Herrn von Marwitz in Friedersdorf. — Ist 
das der General? Nein, der Kammerherr. — Der König schwieg, denn er 
konnte die Kammerherren nicht leiden, die er wie Müßiggänger betrachtete. 
Die Umspannung war geschehen, fort ging es. Die Bauern sprachen den 
ganzen Tag vom König, wie er dies und jenes in Ordnung bringen und 
allen denen den Kopf waschen würde, die ihnen unangenehm waren. Es 
zeigte sich später, daß alle Prediger die Gewohnheit hatten, dem Kutscher 
Pfund 10 Taler zu schenken, wenn der König bei ihnen übernachtete; 
auch der Vorfahr in Dolgelin hatte es getan, der neue Prediger aber, 
der davon nichts wußte, hatte ihm im vorigen Jahre nichts gegeben, — wes¬ 
wegen der Kerl denn schon den ganzen Tag so vorwärts getrieben hatte, 
daß er noch vor Sonnenuntergang Dolgelin passierte und sich zehn Taler 
in Müncheberg vom Bürgermeister Kramer erwarb. 
Das zweite Mal sah ich den König in Berlin während des Karnevals 1785. 
Ich ging mit meinem Hofmeister zu meiner Cousine, die Hofdame bei der 
Prinzessin Heinrich war, also in das Prinz Heinrichsche Palais, die jetzige 
Universität, wo sie im dritten Stock nach dem Garten hinaus wohnte. Als 
wir die große Treppe hinaufstiegen, kam ein kleiner alter Mann mit starren 
Augen bei uns vorbeigerannt und sprang in Bogensätzen die Treppe herab. 
Mein Hofmeister rief ganz verwundert: Das war der Prinz Heinrich! 
Wir traten nun ins Fenster des ersten Stockwerks und schauten aus, was 
den Prinzen zu solchen Bogensätzen bewegen könne? Und siehe, da kam 
der König gefahren, um ihn zu besuchen. 
Friedrich der Zweite fuhr in Potsdam niemals, außer, wenn er ver-
	        
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