1. ßäsars Aericht über die Kermanen.
Julius Cäsar: Kommentare (Aufzeichnungen) über den gallischen Krieg. Lateinisch.
Den Römern danken wir von jener Zeit an, da die Kimbern und Teutonen mit ihnen
zusammengestoßen waren, die erste Kunde von unseren Vorfahren, den Germanen. Diese
Nachrichten sind noch sehr dürftig, seit Cäsar gewinnen aber die Berichte der Römer
über die Germanen an Zuverlässigkeit. Während des Eroberungskampfes in Gallien
drang Cäsar zweimal in den Jahren 55 und 53 über den Rhein in das Gebiet der
Germanen ein. Er berichtet in den Aufzeichnungen über seine eigenen Erlebnisse und
Anschauungen, auch erzählt er, was er durch Nachforschungen bei den Galliern, bei
reisenden Kaufleuten erfahren hat.
Zwischen den Sitten der Germanen und Gallier waltet ein erheblicher
Unterschied. Denn weder haben die Germanen Druiden, die als Priester
dem Gottesdienste vorstehen, noch auch haben sie besondere Neigung zu re¬
ligiösen Festen. Jagd und kriegerische Übung füllt ihr Leben aus. Schon
von klein auf gewöhnen sie sich deshalb an harte Strapazen und üben
ihre Ausdauer. Wer am spätesten zum Manne sich entwickelt, trägt unter
den Seinen das höchste Lob davon. Das, meinen sie, nähre stattlichen
Wuchs, stärke die Kräfte und stähle die Sehnen. Vor dem zwanzigsten
Jahre sich mit einem Weibe zu verbinden, halten sie für überaus schimpflich.
Wenig beschäftigen sie sich mit Ackerbau; der größere Teil ihrer Nahrung
besteht aus Milch, Käse und Fleisch. Auch hat keiner Ackerland von be¬
stimmtem Umfange ober überhaupt eigenen Grundbesitz, sondern die Häupter
des Volkes und die Fürsten teilen auf ein Jahr den Stämmen und Sippen,
wie sie zusammengetreten sind, Acker zu, in dem Umfange und an dem
Orte, wie es ihnen angemessen erscheint, und zwingen sie nach Ablauf des
Jahres, an einer anderen Stelle überzugehen. Viele Gründe führen sie für
diesen Brauch an: man wolle verhindern, daß die Gewöhnung an ein seß-
Haftes Leben dazu verführe, die Lust am Kriege mit der Bebauung des
Bodens zu vertauschen, daß jemand weit ausgedehnten Landbesitz zu erwerben
trachte und die Mächtigeren die Ärmeren aus ihrem Besitz verdrängten.
Nicht sollte man sorgfältiger, um sich vor Kälte und Hitze zu schützen, die
Häuser bauen; Habgier nach Geld, in deren Gefolge Parteiungen und
bürgerlicher Zwist einhergehen, sollte damit verbannt sein, der gemeine Mann
aber in Zufriedenheit erhalten werden, wenn er sähe, daß bei dieser Sitte
sein Besitz dem des Mächtigsten gleich stünde.
Als ein hohes Lob gilt es für die Völkerschaften, um ihr Gebiet herum
weithin das Land zu verwüsten und von einer Einöde umgeben zu sein.
Heinze-Rosenburg, Quellenlesebuch. I. 3. Aufl. 1