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Sie glauben, es sei ein Zeichen männlicher Tatkraft, wenn die Nachbarn,
vertrieben von ihren Äckern, in die Ferne zögen, und niemand in ihrer Nähe
sich anzusiedeln wage. Zugleich glauben sie durch eine solche Maßregel ge¬
sicherter und von der Furcht eines plötzlichen Überfalles befreit zu sein.
Rüstet sich eine Völkerschaft zum Angriff oder zur Abwehr, dann wählt
sie einen Herzog, der den Krieg leiten soll. In seiner Hand liegt die
Gewalt über Leben und Tod. Im Frieden dagegen hat sie kein gemein-
sames Oberhaupt, sondern die Fürsten der Landschaften und Gaue sprechen
unter den Ihrigen Recht und schlichten den Zwist.
Kein Makel haftet dem Raube an, sobald er außerhalb der Grenzen
der Völkerschaft vollführt wird. Durch ihn, glauben sie, werde die junge
Mannschaft geübt, der Müßiggang aber gemindert. Und sobald einer von
den Fürsten in öffentlicher Versammlung erklärt, daß er die Führung über¬
nehmen wolle: es möchten die sich melden, die ihm zu folgen gedächten,
erheben die sich, die mit der Sache und mit dem Manne einverstanden sind,
und versprechen ihren Beistand. Lob wird ihnen von der Menge zu teil.
Wer aber von diesen dann nicht folgt, der wird als ein Ausreißer und
Verräter behandelt, und jedes Vertrauen wird ihm fernerhin entzogen.
An dem Gastfreunde sich vergreifen, dünkt sie Frevel. Wer aus irgend
einem Grunde zu ihnen kommt, den schützen sie vor Unbill und halten ihn
für unverletzlich. Alle Häuser stehen ihm offen, und der Lebensunterhalt
wird mit ihm geteilt.
Ein Stamm hat die fruchtbaren Gaue beim Hercyner-Walde (das
deutsche Mittel-Gebirge) in Germanien besetzt und sich da angesiedelt. Wer
ein guter Fußgänger ist, durchläuft den her ethnischen Wald der Breite nach
in 9 Tagen. Es giebt in diesem Walde, wie bekannt, viele Tiere, die
man sonst nirgends antrifft. Die ausgezeichnetsten und merkwürdigsten sind
etwa folgende. Ein großes Tier, ein Hirsch von Gestalt, mit einem Hörne
zwischen den Ohren mitten auf der Stinte, das großer und gestreckter ist,
als die uns bekannten Geweihe. An der Krone teilen sich Enden, wie
Palmenzweige, sehr breit auseinander. Ferner das Elentier, der Gestalt
und den bunten Flecken nach einem Rehe gleich, doch etwas größer und
ohne Hörner. Die dritte Gattung sind die Auerochsen, wie man sie
nennt, etwas kleiner als Elefanten, an Gestalt, Farbe und Körperbau wie
Stiere. Ihre Stärke ist eben so groß als ihre Geschwindigkeit. Sie schonen
nichts, was sie erblicken, weder Menschen noch Tiere. Man fängt sie eifrig
in Gruben und tötet sie. Mit dieser Arbeit härtet sich die Jugend ab und
beschäftigt sich mit Jagden solcher Art. Wer die meisten Tiere erlegt hat
und zum Beweise davon die Hörner vor dem Volke zeigt, erhält großes Lob.
Das Tier läßt sich, selbst jung gefangen, doch nicht an Menschen gewöhnen
und zahm machen. Seine Horner sind viel größer, auch anders geformt
und gestaltet als bei unfern Ochsen. Man sucht sie sorgfältig, faßt den
Rand mit Silber ein und gebraucht sie auf vornehmen Tafeln als Pokale.
Der Stamm der Sueven ist der bei weitem größte und kriegslustigste
von allen Germanen. Hundert Gaue soll er zählen, und aus jedem ziehen
jährlich tausend Krieger zum Kampfe über die Grenze. Die übrigen, die
zu Hause bleiben, erwerben für sich und jene die Nahrungsmittel. Im fol¬
genden Jahre stehen diese zur Abwechselung unter den Waffen und bleiben