Nichts Blutigeres gab es je als das Schlachten dort in den Sümpfen
und Waldern Germaniens. Vorzugsweise hatten es die Feinde auf die
Sachwalter abgesehen. Einigen stachen sie die Augen aus, anderen schnitten
sie die Hände ab; einem nähten sie den Mund zu, nachdem sie ihm die
Zunge ausgerissen hatten. Diese nahm einer der Barbaren in die Hand und
sprach: „Nun höre endlich auf zu zischen, Schlange!"
Als Augustus von dieser großen Niederlage Kunde erhielt, war er so
niedergeschlagen, daß er mehrere Monate hindurch Haar und Bart wachsen
ließ. Bisweilen stieß er den Kopf gegen die Tür und rief dabei aus:
„Varus, gib mir die Legionen wieder!" Den Tag der Niederlage beaina
er alljährlich als einen Tag tiefer Trauer.
3. Jer Wachekrieg des Kermanikus.
_ Cornelius Tacitus: Die Annalen (Jahrbücher). Lateinisch. Der Geschicht-
schreiber Tacitus ist vermutlich im Jahre 54 n. Chr. geboren. Seine Annalen reichen
vom Tode des Kaisers Augustus bis zum Jahre 68. Er benutzte die besten Quellen und
war bestrebt, wahr und unparteiisch zu schreiben. Armins Heldengestalt bewundert er.
Uber den zweiten und dritten Zug des Germanikns berichtet Tacitus:
Im Anfange des Frühjahrs 15 begann Germanikus den Feldzug mit
einem plötzlichen Einfall in das Land der Chatten. Er hoffte, daß der
Feind geteilt auf des Arminius und Segestes Seite stehen würde, jenes
Segeft, der einst dem Varus hinterbracht hatte, daß die Germanen zu einer
Erhebung sich rüsteten, und der ihm geraten hatte, Armin und die übrigen
Fürsten in Fesseln zu legen. Jetzt war des Segestes Groll gegen Armin
durch persönliche Kränkung zu bitterem Haß gesteigert; denn Armin hatte
ihm die Tochter Thusnelda, die einem anderen verlobt war, entführt. Verhaßt
war ihm der Schwiegersohn, dieser ein Feind seines Schwiegervaters.
Nach kurzem, blutigem Kampfe gegen die Chatten wandte sich Germanikus
zurück an den Rhein. Da erschienen Gesandte von Segestes und baten um
Hilfe gegen die Gewalt seiner Volksgenossen, die ihn auf Armins Anstiften,
der zum Kampfe trieb, bedrängten. Germanikus hielt es der Mühe wert,
das Heer umkehren zu lassen. Es kam zu einem Kampfe gegen die Be-
dränger. Segestes wurde gerettet, zugleich mit ihm eine große Menge von
seiner Sippe und seinen Mannen. Edle Frauen waren dabei, unter ihnen
die Gattin Armins, des Segestes Tochter, mehr dem Gatten als dem
Vater an Gesinnung ähnlich. Keine Träne vergoß sie, kein Laut des
Schmerzes entrang sich ihrer Brust. Die Hände in die Falten ihres Ge¬
wandes drückend, schaute sie wortlos auf den Boden. Bald nachher schenkte
sie einem Knaben das Leben, der zu Ravenna aufgezogen und von widrigem
Geschick verfolgt wurde.*)
Armin aber wurde, als ihm sein Weib geraubt war, zu wahnsinniger
Wut entflammt. Hin und her eilte er durch das Cheruskerland und rief
gegen Segeft, gegen Germanikus zu den Waffen. Er reizte nicht nur die
Cherusker auf, sondern auch die benachbarten Völkerschaften, und es wuchs
die Besorgnis des Germanikus. Er sandte seinen Feldherrn Cäcinna mit
vierzig römischen Kohorten durch das Gebiet der Brukterer an den Fluß
*) Nach Strabo, dem berühmten Geographen des Altertums (f 24 n. Chr.), hieß
Armins Sohn Thumelikus. Er soll Gladiator geworden und in der Arena gefallen sein.