Full text: Deutsche Geschichte bis 1648 (Teil 1)

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Noch hatte er feine Worte nicht geendet, als es zuerst im Westen wie 
eine dunkle Wetterwolke heraufstieg, die den hellen Tag in düstere Nacht 
verwandelte. Aber näher und näher kam der Kaiser, und nun erglänzte 
den Belagerten von den funkelnden Waffen ein Tag entgegen, der für sie 
verhängnisvoller war, als selbst die Nacht. Und nun sah man ihn selbst, 
ben eisernen Karl, bebeckt mit eisernem Helm, mit eisernen Armschienen um- 
kleibet, ben eisernen Panzer um bie eiserne Brust unb bie beiben Schultern. 
Eine eiserne hochragenbe Lanze hielt er in ber Linken, benn bie Rechte war 
immer bereit, ben unbesiegten Stahl zu führen. Die Schenkel, bie bei 
anderen ungepanzert zu fein pflegten, um die Pferde leichter besteigen zu 
können, waren bei ihm mit eisernen Schuppen geschützt. Was soll ich von 
den Beinschienen sagen? Waren sie doch bei dem ganzen Heere von Elfen. 
Nichts fah matt an feinem Schilde als Eisen. Auch fein Roß zeigte das 
Eisen in seinem Ungestüm und in seiner Farbe. Wer voranzog, wer auf 
der Seite war, wer folgte, alle trugen dieselbe Rüstung, und nach Mög- 
feit hatte das ganze Heer sich wie ber König gewaffnet. Eisen erfüllte bie 
gelber unb Straßen, bie Strahlen ber Sonne wiberspiegelten sich in bem 
Glänze bes Eisens. Dem kalten Eisen bezeugte bas vor Schrecken erstarrte 
Volk Ehre, unb bas glänzende Eisen verbreitete Furcht allenthalben. „O 
das Eisen, wehe das Eisen!" tönte die verworrene Klage der Bürger. 
Vor dem Eisen erzitterte die Festigkeit der Mauern, unb ber Mut ber 
Jünglinge wie bie Einsicht ber Allen fchtoanben vor bem Eisen dahin. Das, 
was ich stammelnber, zahnloser Mann in träger Breite unb unschöner Form 
zu erzählen versucht habe, das sah ber wahrheitsliebende Späher Otker mit 
einem schnellen Blick, unb sogleich wanbte er sich zu Desiberius unb sagte: 
„Siehe, ba ist Karl, ben du so lange eifrig gesucht hast!" unb mit biesen 
Worten stürzte er fast leblos nieber. 
Der Mönch von Novalese erzählt weiter: 
Wie nun bie Stobt schon lange belagert würbe, ba geschah es, daß 
die Tochter des Desiderius mit einer Armbrust einen Brief über den Ticiuus- 
fluß in das Lager des Königs fchoß, itt dem sie fchrieb, daß, wenn dieser 
sie zur Ehe nehmen wollte, sie ihm sogleich die Stadt unb ben ganzen 
Schatz bes Vaters ausliefern würbe. Karl antwortete ihr mit Worten, bie 
ihre Liebe zu ihm noch heftiger werben ließen. Darauf stahl sie heimlich 
die Schlüssel zu bem Tore ber Stadt, bie zu Häupten bes schlafenben 
Vaters lagen, unb melbete wieber vermittelst ber Armbrust bem König, er 
solle sich in biefer Nacht bereit halten, mit ben Seinen, fobalb sie ihm bas 
Zeichen gebe, in bie Stabt einzurücken. Dieser tat also. Als nun inmitten 
ber Nacht Karl sich bem Tore ber Stabt näherte und burch basselbe 
hineinbrang, sprang ihm bie Königstochter, glücklich, bas Versprechen erfüllt 
zu sehen, entgegen, aber sie geriet alsbalb unter bie Hufe ber Roffe unb 
hauchte, von biesen zerstampft, ihre Seele aus, benn es war finstere Nacht. 
Da erwachte burch bas Wiehern ber Roffe, bie burch bas Tor einbrangen, 
bes Königs Sohn Abalgis. Er riß bas Schwert aus ber Scheibe und 
erfchlug alle Franken, die hereinkamen, doch alfobalb verwies ihm dies fein 
Vater, weil es Gottes Wille fei, daß die Stadt in die Hand der Feinde 
falle. Wie aber Adalgis fah, daß er es mit einem fo großen Heere nicht 
aufnehmen könne, eilte er flüchtig davon. Karl jedoch bemächtigte sich der
	        
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