Full text: Deutsche Geschichte bis 1648 (Teil 1)

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Stadt, zog zur königlichen Pfalz, ließ die ganze Bürgerschaft hierher ent° 
bieten und sie den Eid der Treue schwören. Es erzählen aber einige, König 
Karl habe den Destderins in der Stadt Pavia, in d?r er gefangen wurde, 
blenden lassen.*) 
Als nun Karl bereits im Frieden das ganze Reich Italien beherrsch!? und 
er zufällig in der Stadt Pavia Hof hielt, wagte es Adalgis allein auf Kund° 
schaft zu kommen, denn er wünschte zu wissen, was man hier tat und sagte, 
und ob er noch Hoffnung auf das Reich haben könne. Er war aber, wie wir 
schon gesagt haben, von Jugend auf voll Kraft und Kühnheit und kriegerische?: 
Sinnes. Da er nun in die Stadt gekommen war, erkannte ihit niemand, denn 
er fuhr in einem Schiffe daher nicht wie ein Königssohn, sondern umgeben 
von einer kleinen Schar Leuten, als wäre er geringen Standes. Keiner von 
den Kriegsleuten erkannte ihn, zuletzt aber erkannte ihn ein Mann, der mit 
ihm sehr vertraut und dem Vater ein sehr treuer Diener gewesen war. Es 
war aber schon lange her, daß er Vater und Reich verloren hatte. Da er 
nun sah, daß er von jenem erkannt werde und nicht länger verborgen bleiben 
könne, begann er ihn flehentlich zu bitten und bei dem Eide, den er einst 
seinem Vater und ihm geschworen hatte, zu beschwören, daß er dem König 
Karl seine Anwesenheit nicht verrate. Jener gewährte ihm die Bitte und 
sprach: „Bei meiner Treue, ich werde dich nicht verraten, so lange ich dich 
zu verheimlichen vermag." Weiter sagte Adalgis: „So bitte ich denn, 
o Freund, setze mich heute, wenn der König speist, an das Ende eines der 
Tische und sorge, daß alle Knochen, die vom Tische entfernt werden sollen, 
sei es, daß sie von Fleisch entblößt oder noch damit bedeckt sind, mir vor- 
gesetzt werden." Der Freund antwortete ihm: „Ich werde tun, wie du es 
wünschest." Denn ihm selbst fiel die Aufgabe zu, die Speisen auf den 
Tisch des Königs zu setzen. Als nun die Stunde des Essens gekommen 
war, tat jener, wie man ihm gesagt hatte. Adalgis aber zerbrach alle 
Knochen und aß das Mark heraus, gleichwie der Löwe zu tun pflegt, der 
seine Beute verzehrt, dann warf er sie unter den Tisch zu einem großen 
Haufen zusammen. Darauf erhob er sich und ging davon vor den übrigen. 
Als aber der König von der Tafel aufstand und den Haufen Knochen, 
der unter dem Tische lag, gewahr wurde, fragte er: „Wer um Gottes willen 
hat so viele Knochen zerbrochen?" Alle antworteten, sie wüßten es mchi, 
nur ein einziger Mann sprach: „Ich sah hier einen starken Kriegsmann 
fitzen, der alle die Knochen von Hirschen, Bären und Ochsen zerbrach, als 
wären es Halme." Sogleich wurde jener Mann herbeigerufen, der die 
Speisen vor den König setzt. Der König forschte: „Wer und woher war 
jener Krieger, der an diesem Platze saß und beim Essen alle diese Knochen 
zerbrach?" Der antwortete: „Ich weiß nicht, o Herr." „Bei der Krone 
meines Hauptes," rief der König, „du weißt es." Als aber der Mann 
sich entdeckt sah, geriet er in Furcht und schwieg, 
Es ahnte jedoch der König, daß Adalgis jener Kriegsmann gewesen 
sei. Darum geriet er in Zorn. Leid tat es ihm, daß jener ungestraft 
davon gekommen wäre, und er sagte zn den Seinen: „Wohin entwich er?" 
Einer antwortete ihm: „Auf einem Schiffe kam er, o Herr, und ich denke, 
*) Desiderius wurde von Karl in ein fränkisches Kloster geschickt. Adalgis floh 
nach Konstantinopel und starb hier als Patrizius.
	        
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