Führer, bald fielen sie, weil der Fuß auf dem spiegelglatten Eise ausglitt,
und rollten auf dem Boden weiter hinunter, aber zuletzt erreichten sie doch,
wenn auch nicht ohne schwere Gefahr für ihr Leben, das Tal. Die Königin
und die anderen Frauen, die in ihrem Dienste waren, setzte man auf
Ochsenhäute, und die zum Geleite vorausgehenden Wegweiser zogen sie
darauf abwärts. Von den Pferden ließen sie einige mit Hilfe gewisser Vor-
richtungen hinunter, andere schleiften sie mit zusammengebundenen Füßen
hinab; viele Pferde kamen um, mehrere wurden untauglich, sehr wenige
entgingen lebend und unverletzl der Gefahr.
Sobald sich durch Italien das Gerücht verbreitete, der König sei an-
gelangt und befinde sich, nachdem er die rauhesten Klippen überstiegen, schon
innerhalb der Grenzen Italiens, da strömten wetteifernd zu ihm alle Bischöfe
und Grafen Italiens und nahmen ihn, wie es sich für die königliche Hoheit
gebührte, mit den größten Ehrenbezeigungen auf, und binnen wenigen
Tagen versammelte sich um ihn eine unermeßliche Heeresmacht. Denn schon
vom Anfange seiner Regierung an hatten sie seine Ankunft in Italien immer
sehnlich gewünscht, weil jenes Reich durch Kriege, Aufstände, Räubereien
und vielfache Fehden der einzelnen ununterbrochen von Feindseligkeiten
erfüllt war, und weil sie hofften, daß alles, was ruchlose Menschen wider
die Gesetze und Rechte der Vorfahren sich herausnahmen, durch die Zucht
der königlichen Macht gebessert werden würde. Überdies, weil das Gerücht
sich verbreitet hatte, der König eile zornig herbei, freuten sie sich sehr, daß
ihnen Gelegenheit geboten sei, an dem Papst, der fie schon längst von der
Kirchengemeinschaft ausgeschlossen hatte, ihre Schmach auf gehörige Weise
rächen zu können.
32. Me Werantassung zu dem ersten Kreuzzuge.
Wilhelm von Tyrus: Geschichte des heiligen Krieges. Lateinisch. W. v. Tyrus
war geboren zu Jerusalem um 1130 und wurde Erzbischof von Tyrus. Sein Werk
gehört zu den besten und reichhaltigsten Schriften über die Kreuzzüge und umfaßt die
Zeit von 1099—1184. 1 P
Jahrhundertelang pflegten christliche Pilger ungestört nach dem heiligen
Lande zu wallfahrten, um an den geweihten Stätten, wo der Heiland ge¬
lehrt und gelitten hatte, innige Andacht zu üben. Seit die Araber in jenen
Gegenden herrschten, hatten sie solche Wallfahrten nicht gehindert, mitunter
begünstigt. Als aber die seldschnckischen Türken daselbst die Herrschaft ge¬
wannen, wurden die frommen Leute, die gerade dazumal häufiger und zahl-
reicher gen Jerusalem zogen, stets ärger bedrückt. Es ward ihnen schwerer
Zins abgefordert, die Heiligtümer wurden entweiht und fromme Andacht
verhöhnt, der Patriarch selbst ward an den Haaren vom Altar hinwea-
geschleift. Als nun das christliche Volk unter so schmählicher Entwürdigung
seufzte, da erbarmte sich Gott des Elends und erweckte die Christen des
Abendlandes, daß sie heranzogen, Erlösung von dem Joche der Ungläubigen
zu bringen.
Als im November des Jahres 1095 viele Geistliche und Fürsten und
eine unzählige Menge Volkes aus den Ländern nordwärts der Alpen zu
Clermont sich zusammenfanden, erhob sich der Papst Urban und sprach:
„>5hr wisset, geliebteste Brüder, wie das Land der Verheißung durch die