Full text: Deutsche Geschichte bis 1648 (Teil 1)

Führer, bald fielen sie, weil der Fuß auf dem spiegelglatten Eise ausglitt, 
und rollten auf dem Boden weiter hinunter, aber zuletzt erreichten sie doch, 
wenn auch nicht ohne schwere Gefahr für ihr Leben, das Tal. Die Königin 
und die anderen Frauen, die in ihrem Dienste waren, setzte man auf 
Ochsenhäute, und die zum Geleite vorausgehenden Wegweiser zogen sie 
darauf abwärts. Von den Pferden ließen sie einige mit Hilfe gewisser Vor- 
richtungen hinunter, andere schleiften sie mit zusammengebundenen Füßen 
hinab; viele Pferde kamen um, mehrere wurden untauglich, sehr wenige 
entgingen lebend und unverletzl der Gefahr. 
Sobald sich durch Italien das Gerücht verbreitete, der König sei an- 
gelangt und befinde sich, nachdem er die rauhesten Klippen überstiegen, schon 
innerhalb der Grenzen Italiens, da strömten wetteifernd zu ihm alle Bischöfe 
und Grafen Italiens und nahmen ihn, wie es sich für die königliche Hoheit 
gebührte, mit den größten Ehrenbezeigungen auf, und binnen wenigen 
Tagen versammelte sich um ihn eine unermeßliche Heeresmacht. Denn schon 
vom Anfange seiner Regierung an hatten sie seine Ankunft in Italien immer 
sehnlich gewünscht, weil jenes Reich durch Kriege, Aufstände, Räubereien 
und vielfache Fehden der einzelnen ununterbrochen von Feindseligkeiten 
erfüllt war, und weil sie hofften, daß alles, was ruchlose Menschen wider 
die Gesetze und Rechte der Vorfahren sich herausnahmen, durch die Zucht 
der königlichen Macht gebessert werden würde. Überdies, weil das Gerücht 
sich verbreitet hatte, der König eile zornig herbei, freuten sie sich sehr, daß 
ihnen Gelegenheit geboten sei, an dem Papst, der fie schon längst von der 
Kirchengemeinschaft ausgeschlossen hatte, ihre Schmach auf gehörige Weise 
rächen zu können. 
32. Me Werantassung zu dem ersten Kreuzzuge. 
Wilhelm von Tyrus: Geschichte des heiligen Krieges. Lateinisch. W. v. Tyrus 
war geboren zu Jerusalem um 1130 und wurde Erzbischof von Tyrus. Sein Werk 
gehört zu den besten und reichhaltigsten Schriften über die Kreuzzüge und umfaßt die 
Zeit von 1099—1184. 1 P 
Jahrhundertelang pflegten christliche Pilger ungestört nach dem heiligen 
Lande zu wallfahrten, um an den geweihten Stätten, wo der Heiland ge¬ 
lehrt und gelitten hatte, innige Andacht zu üben. Seit die Araber in jenen 
Gegenden herrschten, hatten sie solche Wallfahrten nicht gehindert, mitunter 
begünstigt. Als aber die seldschnckischen Türken daselbst die Herrschaft ge¬ 
wannen, wurden die frommen Leute, die gerade dazumal häufiger und zahl- 
reicher gen Jerusalem zogen, stets ärger bedrückt. Es ward ihnen schwerer 
Zins abgefordert, die Heiligtümer wurden entweiht und fromme Andacht 
verhöhnt, der Patriarch selbst ward an den Haaren vom Altar hinwea- 
geschleift. Als nun das christliche Volk unter so schmählicher Entwürdigung 
seufzte, da erbarmte sich Gott des Elends und erweckte die Christen des 
Abendlandes, daß sie heranzogen, Erlösung von dem Joche der Ungläubigen 
zu bringen. 
Als im November des Jahres 1095 viele Geistliche und Fürsten und 
eine unzählige Menge Volkes aus den Ländern nordwärts der Alpen zu 
Clermont sich zusammenfanden, erhob sich der Papst Urban und sprach: 
„>5hr wisset, geliebteste Brüder, wie das Land der Verheißung durch die
	        
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