— 27 —
Ende zuteil geworden sei, und weiter befragt, setzte er in die zweite Stelle
zwei Jünglinge, Kleobis und Biton, Söhne einer Priesterin, die einst, da
ihre Mutter in den Tempel gefahren werden mußte, sich statt der aus-
bleibenden Stiere selbst vor den Wagen spannten, und hierauf, da die
Mutter von der Göttin zum Lohne für ihre Kinder erflehte, was den Menschen
das Beste sei, im Tempel entschliefen und nicht wieder erwachten. Da
verhehlte Krösus seinen Unwillen nicht, daß Solon sein Glück nicht einmal
dem des einfachen Bürgers gleich achte, worauf dieser erwiderte, er könne
niemand vor seinem Ende glücklich nennen, denn die Gottheit habe wohl
vielen das Glück kurze Zeit gezeigt, sie dann aber zu Grunde gerichtet.
Und Krösus sollte bald die Wandelbarkeit des Glückes erfahren. Er hatte
zwei Söhne, der eine war taubstumm, der andere ausgezeichnet vor allen
seinen Gespielen, und gerade dieser wurde auf der Jagd unversehens durch
einen Wurfspieß getötet.
Aber ein noch größeres Unglück stand dem König selbst bevor. Er
rüstete gegen den benachbarten König Cyrus, dessen wachsende Macht ihm
bedrohlich erschien, ein gewaltiges Heer. Bevor er aber in den Kampf zog,
ließ er das Orakel in Delphi fragen, ob er den Krieg gegen die Perser
beginnen könne; er erhielt die Antwort: „Wenn Krösus über den Halys
geht, wird ein großes Reich zerstört werden."
Des Sieges gewiß zog nun Krösus zuversichtlich über den Halys dem
Cyrus entgegen. Dieser nötigte aber des Krösus Heer zum Rückzug auf
die Landeshauptstadt Sarves und schloß die Stadt ein. Vor dem Thore
wurde Krösus besiegt und gefangen genommen. Cyrus wollte ihn ver-
brennen lassen. Schon stand er auf dem angezündeten Scheiterhaufen,
da gedachte er des weisen Solon, dessen Ausspruch über die Wandelbarkeit
des Glückes sich an ihm bewährt hatte, und er rief mit lauter Stimme:
„Solon, Solon!" Cyrus verlangte zu wissen, wen er rufe, und als er es
erfahren und die Unbeständigkeit menschlicher Größe bedacht hatte, befahl
er, den Krösus vom Scheiterhaufen herunterzunehmen. Er behielt ihn fortan
als seinen Ratgeber bei sich.
Die weiteren Eroberungen des Cyrus und sein Ende. Nach-
dem das Reich des Krösus von Cyrus erobert war, blieben in Kleinasien
noch die griechischen Küstenstädte an der kleinasiatischen Küste, wie Milet
und andere, zu unterwerfen. Diese hatten das milde Joch der lydischen
Könige ohne sonderliches Widerstreben getragen, sträubten sich nun aber,
die Unterthanen des persischen Königs zu werden. Sie rüsteten sich zum
Kampfe, suchten auch die Hülfe der europäischen Griechen, und die Spartaner
ließen dem Cyrus durch eine Gesandtschaft vermelden, er sollte keine griechische