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Übung in den Ringschulen (Palästren) an. In Begleitung eines Sklaven
(Pädagogen) begaben sich die Knaben am srühen Morgen in die Musik-
schule, um bei dem Kitharisten Lieder und Weisen und die Begleitung mit
der Kithära zu lernen, ferner Denksprüche weiser Männer, Gedichte über
die Thaten der Helden, besonders die Gesänge Homers zu lesen und zu
lernen. Vom Kitharisten ging der Knabe nach den Ringplätzen, die, mit
baumreichen Anlagen umgeben, außerhalb der Stadt lagen. Hier übten
sie sich im Laufen, Springen, Diskuswerfen, auch im Schwimmen. Bis
zum achzehnten Jahre dauerte dieser Unterricht, dann trat der junge Athener
aus dem Knabenalter in das Jünglingsalter, er wurde Ephebe. Von der
Zeit an besuchte er nicht mehr die Palästren, sondern die Gymnasien,
die unmittelbar vor der Stadt zu den schönsten Anlagen und Spazier-
gängen gehörten. Sie waren weitläufige Anlagen zum Wettlauf, mit
Ring- und Springplätzen, mit Schleuder- und Wurfständen, mit Bädern
und Gemächern zum An- und Auskleiden und mit schattigen Plätzen zum
Wandeln und Sitzen versehen. Diesen Anstalten war es zuzuschreiben,
daß die Gymnastik in Athen zu hoher Blüte gelangte. Die Leibes- und
Waffen Übungen in den Gymnasien dienten auch als Vorbereitung zu der
kriegerischen Laufbahn, die den jungen Mann erwartete. Nachdem er sich
durch einen zweijährigen Dienst vom 18. bis 20. Jahre als Streifwächter
auf den Grenzen und Landstraßen an Märsche und Waffenführung ge¬
wöhnt hatte, wurde er durch Einzeichnung in die Bürgerrollen in die Zahl
der stimmberechtigten Bürger aufgenommen und feierlich in Gegenwart der
Eltern, Verwandten und Obrigkeit wehrhaft gemacht und in die Verzeich-
niffe der Dienstpflichtigen eingetragen. Dabei schwur er im Athene-
tempel auf der Akropolis Treue dem Vaterlande, den Heerführern und
Lagergesetzen; er gelobte, nie die Waffen zu schänden, nie den Nebenmann
im Treffen zu verlassen, den Feinden der Verfassung zu widerstehen und
die vaterländischen Heiligtümer in Ehren zu halten.
Nachdem Solon seine Gesetze vollendet hatte, ließ er das Volk schwören,
innerhalb der nächsten zehn Jahre an den Gesetzen nichts zu ändern, und
begab sich auf Reisen.
7. Der Tyrann Pisistratns und feine Söhne.
Wie in Athen, so war auch in anderen griechischen Staaten im sechsten
Jahrhundert infolge der Übergriffe des durch Grundbesitz und Handel
mächtig und übermütig gewordenen Adels heftiger Streit zwischen den
Ständen ausgebrochen, in dem das Volk danach trachtete, die Edelleute aus
ihrer ererbten Stellung zu verdrängen, und einen Teil ihrer Vorrechte,