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Verstimmt über das Scheitern seiner Pläne und vom Gicht-
leiden gequält, beschloß Karl abzudanken. Er teilte sein Reich
unter seinen Bruder Ferdinand und seinen Sohn Philipp.
Ferdinand, der König von Böhmen und Ungarn, erhielt die
österreichischen Länder, die er schon längst verwaltete, und
die Anwartschaft auf die Kaiserwürde, für die er durch seine
Wahl zum römischen Könige (1531) bereits in Aussicht ge-
nommen war; Philipp II. erhielt das Kernland der Universal-
Monarchie Karls, Spanien (mit Sardinien, Neapel, Stellten
und den Kolonien), soroie Mailand und die Niederlande,
die beide dadurch tatsächlich aus ihrer alten, wenn auch lockeren
Verbindung mit dem deutschen Reiche gelöst wurden (1556).
Darauf begab Karl sich nach Spanien und bezog eine Wohnung bei
dem Kloster San Just in Estremadura. Hier beschäftigte er sich mit
frommen Übungen und trieb zu seiner Erholung mechanische Arbeiten,
verfolgte aber immer noch mit eifriger Teilnahme den Gang der Politik.
Er starb 1558.
Karl V. gehört ohne Zweifel zu den begabtesten und bedeutendsten
Kaisern. Als Staatsmann erkannte er mit schnellem Blicke die jeweilige
Lage der Dinge. Er durchschaute alle seine Gegner und ihre Pläne; nur
einer, Moritz von Sachsen, hat ihn getäuscht. Aber an der seltsamen
Durchkreuzung seiner kirchlichen und dynastischen Pläne
scheiterte sein Streben. Denn er mußte sich wiederholt nachgiebig gegen
die Protestanten zeigen, um sie für seine dynastischen Pläne zu gewinnen,
und wiederum hat ihn dann der nie ausgeglichene Gegensatz zu den Prote-
steinten gehindert, seine Weltherrschaftspläne mit aller Kraft zu verfolgen.
XII. Ausbreitung der Reformation in Europa.
Während Deutschland durch die Reformation in religiöser
Hinsicht gespaltet wurde, gelangte sie in den übrigen germanischen
Ländern Europas zur fast völligen Herrschaft.
103. 1. Die Schweizer Reformation.
In der Schweiz nahm die Reformation eine eigenartige Form
an, die auch auf die Nachbarländer ihre Rückwirkung äußerte.
a) Ulrich Zwingli, Pfarrer in Zürich, wurde (1519) in ähnlicher
Weife wie Luther durch Ablaßpredigten veranlaßt, sich gegen die kirch-
lichen Gebräuche und Satzungen zu erklären. Seine Lehre unterschied sich
von der lutherischen in der Auffassung des Abendmahls, und hierüber ließ
sich auch durch ein Religionsgespräch mit Luther und Melanchthon
zu Marburg (1529) keine Einigung erzielen.