Full text: Von den Anfängen der Germanen bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges : Lehraufgabe der Unterprima (Teil 8)

§ 44. Die neue Lehre und die politischen Umwälzungsversuche. 195 
4. Weiteres Umsichgreifen der neuen Lehre. In diesem Augen- 
blick stand Karl V. durch den glänzenden Sieg von Pavia Kth 
(f. S. 198) über Franz I. auf dem Gipfel der Macht und war 
gewillt, zu einem entscheidenden Schlage gegen die Evangelischen 
auszuholen. Deshalb vereinigten sich unter Führung Hessens und 
Kursachsens die evangelischen Fürsten zum Gotha-Tor g,£i.iL£-£" 
B üuduis (1526). Da aber der Franzosenkönig den Frieden brach, 
änderte sich die Sachlage wieder zugunsten der neuen Lehre. Der 
(erste) Reichstag zu S p e y er forderte wiederum die Berufung einer erste^NMs- 
allgemeinen Kirchenversammlung; bis dahin sollten die Stände mit 1526- 
ihren Untertanen „sich so verhalten, wie es ein jeder vor Gott und 
Kaiserlicher Majestät hoffe und sich getraue zu verantworten". Die 
evangelischen Stände legten den Speyerer Reichstagsabschied dahin 
aus, daß er ihnen das Recht gebe, die kirchlichen Verhältnisse ihres 
Gebietes oder ihrer Stadt selbständig zu ordnen. 
Da der schöne Traum der ersten Zeiten der Reformation, die Neu - Einrichtung der 
k c „ , _ — , r r ✓ 1 . ' , evangelischen 
Ordnung für das ganze Deutschland von einer Spitze aus, Landeskirchen, 
keine Aussicht auf Erfüllung hatte, erkannte Luther mit prak- 
tischem Blicke, daß er sein Werk, um es vor Unberufenen 
zu schützen, in die Hände der Territorial- und Stadt- . 
regieruugeu legen müsse. Dies entsprach durchaus seiner Auf- 
faffung vom Staate, die, an die Augustinifche Theorie von 
der civitas dei anknüpfend, ihn als die „weltliche Zuchtrute Gottes" 
betrachtet, deren Leitung der Mensch sich zu fügen habe. So kam die 
kirchliche Gewalt (ins circa sacra) an die Landesherrn als 
aummi episcopi, wodurch freilich die Einheit der evangelischen 
Kirche geopfert war. Die sächsische Kirchenordnung, die von Die sächsische 
Kurfürst Johann unter Luthers und Melanchthons Beistand ent- Sn^enotbimn0- 
toorfen war, diente den anderen zum Muster. Danach ernannte der 
Staat die Pfarrer, über die die Superintendenten die Aufsicht führten. 
Konsistorien bildeten später die Spitze der Kirchenverwaltung. 
Angeleitet durch Melanchthons Schrift „Unterricht der Visitatoren 
an die Pfarrherrn im Kurfürstentum Sachsen", besichtigten Visi- 
tatoren in den Jahren 1527—1529 die Kirchen und Schulen. Das 
Kirchengut wurde eingezogen, und ein Teil der Einkünfte dem Kirchen- 
und Schulwesen überwiesen. Mit weiser Vorsicht und Mäßigung 
wurde nach und nach die neue Lehre durchgeführt; Luthers großer be®uSr59re 
und kleiner Katechismus bildete die Grundlage für den Religions- 
Unterricht. Die Lehre vom „allgemeinen Priestertum" mußte iuso- 
fern eingeschränkt werden, als es studierter Prediger bedurfte, 
die zur Erklärung der Evangelien und der vielen schwierigen Glaubens- 
fragen befähigt wären; nach Zusammenbruch der alten „Sakraments- 
kirche" geht der hierarchische Stand der Priester in einen weltlich- 
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