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Attila wurde besiegt und mit großem Verluste in seine Wagen-
bürg zurückgedrängt. Seine Überwindung mar hauptsächlich
das Verdienst der Westgoten, die den Sieg mit dem Heldentode
ihres Königs Theoderich teuer erkauften. Unangefochten
konnte jedoch Attila nach der ungarischen Tiefebene abziehen. —
Die Hunnenschlacht gehört unter die großen, weltgeschichtlich
wichtigen Schlachten, in denen Völker asiatischer Kultur von
Völkern abendländischer Gesittung besiegt wurden.
Attila fiel im folgenden Jahre in Italien ein und ver-
wüstete Venetien und die linke Poseite. Viele Bewohner der
Küste flüchteten damals auf die Lagunen an der Mündung der
Brenta; ihre Absiedlungen gelten als die Anfänge der später
hier erstehenden Stadt Venedig. Aber noch in demselben Jahre
verließ Attila wieder Italien. Ob des Papstes Leo I. des
Großen eindringliche Worte und ehrwürdige Gestalt oder ob
Seuchen im Heere ihn zur Rückkehr bewogen haben, ist un¬
gewiß.
Attilas plötzlicher Tod (453) vereitelte seine weiteren
Pläne. Sogleich zerfiel sein Reich unter seinen Söhnen. Die
abhängigen Stämme machten sich selbständig und drängten die
Hunnen in die Steppen des inneren Rußlands zurück, wo sie
aus der Geschichte verschwinden.
IV. Germanenreiche in Natten.
§ 16. 1. Der Untergang des weströmischen Reiches.
Durch die Reichsgründungen der Germanen war das west-
römische Reich im wesentlichen auf Italien und das Alpengebiet
zusammengeschrumpft. Die Kaiser waren selbst ohnmächtig
und wechselten schnell, da die Oberbefehlshaber der Truppen,
die fast nur mehr aus Germanen bestanden, willkürlich über die
Besetzung des Thrones schalteten. Den letzten Schattenkaiser,
den (475 erhobenen) dreizehnjährigen Romulus, der später
spottweise den Zunamen Augüstulus (d. h. kleiner Augustus)
erhielt, setzte Odoaker, der Anführer von Herulern, Rugiern
und anderen deutschen Mietstruppen, ab und verwies ihn auf
ein Landgut (476). Es regierte kein weströmischer Kaiser mehr.
Odoaker beherrschte Italien, ohne die Kaiserwürde zu begehren,