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Das fränkische Reich der Karolinger.
wenngleich nach der Sitte der Zeit in seiner Jugend ohne höhere
Bildung geblieben, besaß einen für die Wissenschaft empfang-
lichen Sinn und nahm mit seiner Familie in der Hof schule am
Unterrichte teil. Er begann sogar die Abfassung einer Grammatik
der deutschen Sprache und ließ die Sagen unseres Volkes sammeln.
Aber seine Bemühungen, die deutsche Sprache zu literarischer
Geltung zu bringen, trugen bei dem Vorwiegen der römischen
Bildung in jener Zeit keine Früchte.
Auch der Kunst, für die damals kein Raum mehr zu sein
schien, kam die Tätigkeit des großen Königs zustatten. Er ließ
an seinen Lieblingshöfen zu Ingelheim, Aachen und Nymwegen
schöne Pfalzen bauen, und zu Aachen, wo er sich wegen der
warmen Quellen in seinen späteren Lebensjahren am liebsten
aufhielt, erstand der prächtige Dom. In ihm wurde auch Karls
Leiche beigesetzt.
Die mächtige Gestalt des Kaisers, sein achtunggebietendes
Äußeres, seine Tatkraft, seine mit Milde gepaarte Strenge, sein
christlich-gläubiger Sinn haben sich tief den folgenden Geschlechtern
eingeprägt. Das Universalreich, das er erstrebte und an seinem
Teil verwirklichte, zerfiel zwar bald nach seinem Tode wieder,
aber der Gedanke eines römisch-deutschen Kaisertums blieb
auch für die Folgezeit lebendig und wirksam. Als Kriegsfürst,
als Gesetzgeber und als Förderer der inneren Wohlfahrt
seines Reiches ist Karl der Große der bedeutendste Herrscher des
Mittelalters, der mit Recht in der Folgezeit als das Vorbild
eines christlichen Fürsten galt.
§ 33. S|III. Ludwig der Fromme (814—840)*
Karls d. Gr. einzig ihn überlebender Sohn Ludwig war
wegen seiner Charakterschwäche nicht geeignet, das durch den
starken Willen des Vaters geeinte Reich zusammenzuhalten. Im
Anfange seiner Regierung erhob er, um die Reichseinheit zu
sichern, seinen ältesten Sohn Lothar zum Mitregenten und
übertrug ihm den größten Teil seines Reiches, während er seine
jüngeren Söhne Pippin und Ludwig zu Königen machte
und ihnen kleinere Teile des Reiches unter kaiserlicher Oberhoheit
übertrug. Als Ludwigs zweite Gemahlin, die herrschsüchtige