118 VIII. Die Gründung der Nationalstaaten und des Verfassungslebens.
Es ist keine Überhebung, welche Mir diese Worte in den Mund
legt. Die verbündeten Regierungen, wie Ich selbst, Wir handeln in
dem vollen Bewußtsein, daß Sieg und Niederlage in der Hand des
Lenkers der Schlachten ruhen. Wir haben mit klarem Blicke die Ver-
antwortlichkeit ermessen, welche vor den Gerichten Gottes und der
Menschen den trifft, der zwei große und friedliebende Völker im Herzen
Europas zu verheerenden Kriegen treibt.
Das deutsche, wie das französische Volk, beide die Segnungen
christlicher Gesittung und steigenden Wohlstandes gleichmäßig genießend
und begehrend, sind zu einem heilsameren Wettkampfe berufen als zu
dem blutigen in Waffen.
Doch die Machthaber Frankreichs haben es verstanden, das wohl-
berechtigte, aber reizbare Selbstgefühl unseres großen Nachbarvolkes
durch berechnete Mißleitung für persönliche Interessen und Leidenschaften
auszubeuten.
Je mehr die verbündeten Regierungen sich bewußt sind, alles, was
Ehre und Würde gestatten, getan zu haben, um Europa die Segnungen
des Friedens zu bewahren, und es unzweideutig vor aller Augen liegt,
daß man uns das Schwert in die Hand gezwungen hat, mit um so
größerer Zuversicht wenden Wir uns, gestützt auf den einmütigen Willen
der deutschen Regierungen des Südens wie des Nordens, an die
Vaterlandsliebe und Opferfreudigkeit des deutschen Volkes mit dem
Ausrufe zur Verteidigung seiner Ehre und seiner Unabhängigkeit.
Wir werden nach dem Beispiele unserer Väter für unsere Freiheit
und für unser Recht gegen die Gewalttat fremder Eroberer kämpfen
und in diesem Kampf, in dem wir kein anderes Ziel verfolgen als den
Frieden Europas dauernd zu sichern, wird Gott mit uns sein, wie er
mit uusern Vätern war."
Ter Aufmarsch 2. Ter Krieg gegen das kaiserliche Frankreich. Die süddeutschen
der Heere. Arsten, ebenso wie das ganze Volk von dem Gedanken an Deutschlands
Ehre und Ansehen hingerissen, stellten, dem Bündnisse getreu, entgegen
der Hoffnung Napoleons ihre Truppen sofort unter den Befehl König
Wilhelms I. Die Mobilmachung und der Aufmarsch vollzogen sich genau
nach Moltkes Berechnung und Plan. Am 2. August waren
300 000 Mann an der Grenze versammelt, am 4. war alles Gepäck,
Kriegsmaterial und Proviant zur Stelle. Das gesamte deutsche Heer,
500000 Mann stark, wurde in drei Teile gesondert.^) Die erste Armee,
die sich an der oberen Saar unter General v. Steinmetz sammelte,
zählte 85000 Mann, die zweite unter Prinz Friedrich Karl östlich
*) Das Heer des Norddeutschen Bundes zählte außer dem preußischen Garde-
korps, das sich aus der ganzen Monarchie rekrutiert, 12 Armeekorps, dazu kamen die
beiden bayerischen Korps und das württembergisch-badische Korps.