§ 9. Zustände Deutschlands im Zeitalter der Reformation und Gegenreformation. 53
halten. Die wichtigsten Einfuhrgegenstände waren Salz, das zum Bergwerks- Die Einfuhr,
betriebe nötige Blei (aus Goslar), Wolle, Baumwolle, wozu aus Asien
und Amerika bald auch der Indigo als Ersatz für Waid, der Zucker als
solcher für Honig und der Tabak (als Heilmittel) sowie Gewürze kamen.
Die um 1620 über ganz Norddeutschland hereinbrechende Münz-
Verwirrung bewirkte den wirtschaftlichen Zusammenbruch Sachsens. Das Wirtschaftlicher
Reich hatte das Wertverhältnis des großen Geldes zu der damals auch in Zusammenbruch
Silber geprägten Scheidemünze so bestimmt, daß diese nur mit Verlust
herzustellen war. Um sich dabei aber doch schadlos zu halten oder gar noch
zu gewinnen, ließen viele Fürsten Kleinmünze mit verringertem Feingehalt
prägen. Die Verschlechterung ergriff schließlich auch das große Geld. Nun
bekam Sachsen für seine vollwertigen Münzen, die das Ausland zurück-
behielt, eine Flut leichten Geldes zurück. Die Regierung wußte sich nicht
anders zu helfen, als daß fie (seit 1620) auch geringwertiges Geld („Usual-
münze") prägen ließ. Das Volk verkaufte an sie mit Freuden silberne
Geräte usw., erhielt man doch dafür an neuem Gelde weit mehr als man
an altem dafSr gegeben hatte. Aber furchtbar war die Enttäuschung. Die
Entwertung des Geldes kam in einer unerhörten Preissteigerung zum Aus-
druck. Schließlich wollte niemand die „Usualmünze" mehr nehmen. Die
grenzenlose Wut des Volkes wandte sich namentlich gegen die Silbereinkäufer,
„die Kipper und Wipper"1). 1624 zog Sachsen das Kippergeld wieder Die Kipper
ein. Tausende von wohlhabenden Einwohnern waren gänzlich verarmt. unb
Unermeßliche Verluste erlitt der Staat. Wenn er das leichte Geld, in dem
man die Steuern zahlte, zu echtem umschmelzen ließ, verlor er zuweilen
80—90 Prozent des Nennwertes. Mit schwer erschütterten Finanzen ging
Sachsen dem Kriege entgegen.
i. Kirchen und Schulen unter staatlicher Aufsicht. Im 16. Jahrhundert Die Landeskirche,
ward die Landeskirche völlig ausgebaut. Die Anschauung der Reformatoren,
wonach die Fürsten bei allem Eingreifen in kirchliche Dinge lediglich als
weltliche Machthaber gemäß ihrer Christenpflicht der Kirche dienten, wich
seit dem Augsburger Religionsfrieden der anderen, die sie zu Herren der
Kirche machte, indem sie ihnen Bischofsrechte zusprach („Episkopal- „Episkopal-
system"). wem".
Die Konsistorien wurden vermehrt. Das albertinische Sachsen setzte Kirchenbehörden,
nach dem Beispiele des Kurlandes solche in Meißen und Leipzig ein, das
ernestinische Thüringen errichtete das Gesamtkonsistorium in Jena, an dessen
Stelle später (1612) besondere Konsistorien in Weimar und Altenburg
traten. Die Konsistorien übernahmen 1580 die bisher von Hoftheologen
abgehaltenen Prüfungen der Geistlichen, auch die seither durch die Amtleute
bewirkte Besetzung der Pfarrstellen, die unter dem Patronat des Landes¬
herrn standen. Sie hatten alle Geistlichen zu ordinieren (in den geistlichen
Stand aufzunehmen) und die von Privatpatronen gewählten zu bestätigen.
Um der Kirchenverwaltung größere Einheit zu geben, verlegte man 1606
das Meißner Konsistorium nach Dresden, erhob es zum Oberkonsistorium
und betraute es mit der Aufsicht über die anderen sowie über die Universitäten.
1) Vgl. über sie Gustav Freytag, Bilder. III, 2.