Full text: Deutsche Geschichte bis zum Ausgange des Dreißigjährigen Krieges (Bd. 1)

Aus der höfischen Zeit. 
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und empfing ihn wohlbehalten am anderen User. Nachdem er dort das 
Mahl eingenommen und nach den unendlichen und unerträglichen Mühen, 
welche er schon einen Monat lang erlitten hatte, in diesem Gewässer baden 
und so durch Schwimmen sich erfrischen wollte, sank er nach Gottes Ratschluß 
unter in bejammernswertem und unvermutetem Tode. Seine Uberreste 
tragen wir noch mit uns in schuldiger Ehrfurcht. Und wir gelangten nach 
der hochberühmten Stadt Tnrsoch (Tarsus) und werden von da nach An- 
tiochia marschieren, und wir haben eine schreckliche Plünderung unseres 
Gepäcks erduldet und beständig sechs Wochen hindurch gelitten durch Mangel 
an Lebensmitteln, weil wir nichts zu kaufen fanden. 
Dies, obwohl wenig, haben wir Euch von unseren vielen Gefahren 
geschrieben, im übrigen Trost von der Barmherzigkeit Gottes erwartend. 
36. Aus der höfischen Zeit. 
a. Die Ritterpflichten. Aus dem Winsbele. In diesem mittelhochdeutschen Ge- 
dicht aus der Mitte des 13. Jahrhunderts gibt ein weiser Mann seinem Sohne, einem 
jungen Ritter, Lehren, welche die hohen Pflichten seines Standes enthalten. — Der Anfang 
mittelhochdeutsch (Heinrich Kurz, Geschichte der deutschen Literatur. Leipzig, Teubner. 
6. Aufl. 1873. S. 171), das übrige in Prosaübertragung. 
»Sun, inneclichen minne Got, 
so kan dir niemer missegän, 
Er hilfet dir üz aller not; 
nu sich der weite goukel an, 
Wie si ir volgaere triegen kan, 
unt was ir Ion ze jungest si, 
daz soltu sinnecliche entstän: 
si git ze löne sunden lot; 
swer ir nach willen volgen wil, 
deist Ildes und der sele tot.« 
Sohn, merke, wie die brennende Kerze dahinschwindet, ebenso geschieht 
dir, glaube mir, von Tag zu Tag; ich sage dir die Wahrheit. Das bedenke 
in deinem Sinne und richte dein Leben also ein, daß dort die Seele wohl 
fahre. Wie Hoch auch durch Reichtum dein Name werde, so folgt dir doch 
nichts ins Grab nach als ein leinen Tuch, um deine Blöße zu decken. 
Sohn, halte geistliches Leben in Ehren, das ist gut für dich und ist 
verständig. Laß dich durch niemand hiervon abbringen, sondern bleibe hierbei 
bis an dein Grab; das trägt dir Glück und Segen. Kümmere dich nicht 
darum, wie die Pfaffen leben: du sollst doch Gott in ihnen dienen. Sind 
ihre Worte gut, ihre Werke aber falsch, so folge ihren Worten nach, nicht 
ihren Werken, oder du bist ein Tor.
	        
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