Full text: Deutsche Geschichte bis zum Ausgange des Dreißigjährigen Krieges (Bd. 1)

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Aus der höfischen Zeit. 
Sohn, willst du deinen Leib zieren, so minne und ehre die Frauen; 
sie sind die Zierde und Ehre der Welt; als Gott sich Engel im Himmel 
erschuf, gab er uns die Frauen als Engel für die Erde. 
Sohn, gibt dir Gott ein Weib zur rechten Ehe, so sollst du sie halten 
wie deinen Leib und sollst so handeln, daß euer beider Wille jederzeit aus 
einem Herzen gehe und auch wieder dahin strebe. Säet aber die Zwietracht 
ihren Samen darein, so müssen die Wege sich scheiden. 
Sohn, wer dir etwas erzählt, den unterbrich nicht mit Worten, und 
wer dir verzagt seinen Kummer klagt, dessen erbarme dich: Gottes Milde 
erbarmt sich auch aller, die Erbarmen verdienen. Von den Frauen aber 
sprich nur Gutes: ist auch eine unter ihnen nicht wohlgeartet, so stehen ihr 
tausend oder mehr gegenüber, in denen Tugend und Ehre wohnen. 
Sohn, du sollst wissen, daß der Schild viel Würde und Ehre hat; 
den Ritter, der ihm in rechter Weise folgen will, verdrießt nicht Tugend. 
Ich verberge dir die Wahrheit nicht, er ist ohne Zweifel auf der Welt ein 
hochgestecktes Ehrenziel. Trägt ihn ein törichter Mann, der ihm sein Recht 
nicht zugesteht, so ist daran der Schild unschuldig. 
Sohn, willst du gänzlich Schildesrecht erkennen, so sei wohlerzogen, 
getreu, mild, kühn, wahrhaftig, dann ist der Schild nicht an dir betrogen 
und erwächst dir Lob daraus. Willst du aber leben nach freier Wahl, ohne 
alle Tugenden, willst du in solcher Weise den Schild tragen, so wäre es 
besser — meine Treue sei dir Pfand für die Wahrheit meiner Rede! — 
er hinge an einer Wand. 
Sohn, sobald du deinen Helm bindest, sobald sei mutig und kühn. 
Gedenke an reiner Frauen Blick, deren Gruß man von jeher mit Dienst 
vergalt. Sitze gerade. Verbrauche den Wald (Speere aus Eschenholz), wie 
es dir nach Art und Geschlecht zukommt. Mein Arm hat manchen vom 
Pferde geworfen, das muß ich mir jetzt versagen. Gute Ritterschaft ist ein 
Würfelspiel: das Glück muß sich des Ritters annehmen. 
Sohn, blicke scharf auf den dir entgegen Reitenden und senke schön 
deinen Speer, als ob er dahin gemalet sei, und laß dein Roß mit Meister¬ 
schaft anlaufen. Mehr und mehr treibe seine Schnelligkeit an; die vier 
Nägel auf dem Schilde (der Buckel), die soll dein Speer treffen oder die 
Stelle, wo der Helm gebunden ist (das Kollier): dies sind die beiden echten 
Merkzeichen für den Ritter und bei der Tjost die beste Kunst. 
Sohn, edle Geburt ist an dem Manne und dem Weibe ganz verloren 
wie in den Rhein geworfenes Korn, wenn wir nicht Tugend an ihm wahr¬ 
nehmen. Wer Tugend hat, der ist wohlgeboren und ehrt in schöner Weise 
sein Geschlecht. Lieber erkor ich mir zum Freunde einen niederen Mann, 
der nach Ehre strebt, als einen hochgeborenen ohne Tugend, der dies Jahr 
noch schlechter ward als voriges Jahr.
	        
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