Lindner: Der Handel der Hanseaten.
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Selbst begüterte Kaufmannssöhne verschmähten nicht, ihre Lernzeit von der
untersten Staffel anzufangen.
Glänzende und lockende Läden oder Verkaufsgewölbe kannte die frühere
Zeit nicht. Der Handeltreibende hatte seine Ware in Vorratshäusern,
Speichern oder auf Bodenräumen des eigenen Hauses und begnügte sich zur
Buchführung und zum Geschäftsabschluß mit einer engen Schreibstube; einzelne
Städte hatten dafür Räume in gemeinsamen Häusern der Gilden. Die
Krämer benutzten Keller, Vorbauten oder Stuben, gemietete oder im eigenen
Hause.
Seine Tonnen, Säcke und Warenballen machte der Eigentümer kenntlich
durch eine Marke, die in ihrer aus geraden oder gebrochenen Linien zusammen-
gesetzten Form als Besitzzeichen schon in alte Zeiten hinaufreichte. Die Marke
stand unter rechtlichem Schutz und hatte beweisende Kraft; sie vertrat etwa
das, was heute die Firma ist. Daher wurde sie auch in Geschäftsbriefen
gebraucht, und der Kaufmann ließ sie in seinen Siegelring eingraben, den
er stets bei sich führte in dem den Stand kennzeichnenden breiten Gürtel,
der auch das Geld bewahrte.
Über die Münze und den Geldwert näheres zu berichten, ist untunlich.
Denn das Münzwesen hat in Deutschland von frühester Zeit an in arger
Verwirrung gelegen, die sich beständig steigerte. Fast jedes noch so kleine
Land, sehr viele Städte schlugen eigenes Geld. Das Münzrecht war sehr
einträglich durch den Unterschied des wirklichen und des Umlaufswertes und
wurde daher in Ungebühr ausgebeutet; oft zogen die Münzherren die gehende
Münze ein, um mit der neu ausgegebenen wieder Gewinn zu machen. Das
Ende war eine fortwährende Münzverschlechterung. Die Grundlage bildete
ursprünglich das Pfund Silber, das in 240 Denare, auch Pfennige genannt,
ausgemünzt wurde. Später galt meist die Mark Silber, das halbe Pfund,
als Norm, nach der sich Zahl und Gehalt der Münzsorten richtete. Unter¬
schieden von dieser Gewichtsmark ist die Mark als Rechnungswert. An der
Ostsee war viel gebräuchlich und durch Münzverträge mit Hamburg, Wismar
und Lüneburg geregelt die lübische Mark, die an Silberwert zehn bis zwölf
heutige Reichsmark darstellte, an Kaufwert jedoch sehr viel mehr, weil das
Geld damals weit höher galt. Wurden ursprünglich im dreizehnten Jahr¬
hundert aus der Mark Silber nur zwei und eine halbe Mark Pfennige
gemünzt, ergab sie im fünfzehnten neun Mark. Die Mark zählte sechzehn
Schillinge, doch wurden anfänglich nur Pfennige, zwölf auf einen Schilling,
geschlagen. Erst seit dem vierzehnten Jahrhundert prägte man den schweren
Silberschilling, der seiner Dicke wegen auch Groschen hieß. Gleichzeitig kamen
Goldmünzen, dem italienischen Dukaten entsprechend, die „Gulden" auf, die
nach der Stadt Florenz, deren Münzen durch die ganze Welt liefen, auch
Florenen genannt wurden. Lübeck erhielt 1340 von Kaiser Ludwig dem