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v- Weiß: Die Anfange der hussitischen Bewegung.
böhmischen Könige haben Einwanderungen von Deutschen zur geistigen und
materiellen Hebung des Volkes benützt. Aus Deutschland kamen nicht nur
Geistliche, sondern Handwerker, Bauern und Kaufleute nach Böhmen; selbst
ein böhmischer Geschichtschreiber, Palacky. muß eingestehen: „Die Deutschen
waren von den Königen Böhmens vorzüglich wegen ihrer Betriebsamkeit ins
Land aufgenommen worden. Auch entsprachen sie dem in sie gesetzten Ver-
trauen und erwiesen sich dem Lande höchst nützlich, insbesondere im Pergbau,
in^Roden und im Urbarmachen der vielen Wälder an den Grenzen des
Landes. Ihnen zunächst verdankt man die hohe Blüte der Silberbergwerke
von Kuttenberg und Deutschbrod, welche auf die Vermehrung des Wohl-
standes im Lande und somit auch der Macht des Staates so großen Einfluß
hatten. Für sie und größtenteils durch sie wurde der böhmische Bürgerstand
geschaffen, folglich auch die Gewerbtätigkeit im Lande neu belebt und gehoben,
ihre Anstellungen gaben auch mittelbaren Anlaß zu der seit Ottokar II. so
eifrig betriebenen Emanzipation * der Bauern." Als der Stamm der Przemis-
liden ausstarb, kamen Deutsche als Könige nach Böhmen. Der Kaiser Karl IV.
war sogar daran, Böhmen zum Hauptland des deutschen Reiches zu Mächen.
In der Goldenen Bulle hat der König von Böhmen eine der sieben Stimmen
zur Wahl eines deutschen Königs. Böhmen war durch Johanns Verschwen-
dung erschöpft, als Karl IV. die Regierung antrat; wenn er es auf einmal
mit Prachtbauten überdecken konnte, so hat er gewiß Reichsmittel mit dazu
verwendet, obschon er es nicht eingestehen wollte, sicher mit deutschen Mitteln
hat er die Universität Prag gestiftet, und weil sie in Prag die Residenz ihres
Königs sahen, zogen deutsche Professoren und Studenten in Masse dahin.2
Böhmen war also ein Reichsland und die Deutschen keine Fremdlinge darin,
wie sie Hus zu behandeln und gegen sie den Nationalhaß der Tschechen bis
zur Verjagung „der deutschen Hunde" zu entflammen pflegte.
Hus bloß als Reformator zu betrachten, der das Werk früherer Eiferer
für christliche Sitte nur fortgesetzt habe, reicht nicht aus. In der Tat traten
vor ihm große Redner, begeisterte Eiferer für christliche Zucht auf. .. Was
bloß die Reform anlangt, haben andere zu seiner Zeit Tieferes, Schärferes.
Größeres gesagt, ohne von der Kirche deshalb verurteilt zu werden.
Johann Hus ist ein Bauernsohn aus Husinec im Prachtner Kreis an
der bayrischen Grenze, geboren 1370; seine Eltern waren wohlhabende und
freie Leute; von der königlichen Burg Hus (= auca, Gans) seines Markt¬
fleckens hat er seinen Namen Hus. Über seine Jugendgeschichte sind keine
Nachrichten mehr vorhanden; wir wissen nur. daß er in Prag studierte.
1 Befreiung.
2 Wenn aber spätere Chronisten zum Jahre 1409 berichten, daß 36000 Magister
und (Studenten und davon 20 000 Deutsche gewesen seien, so übertreiben sie wohl ums
Zehnfache. Doch mag das Verhältnis der Deutschen zu den Nichtdeutschen annähernd
richtig damit ausgedrückt sein.