fullscreen: Erzählungen aus der vaterländischen Geschichte

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mit schönen, reifen Kirschen, welche im Treibhaufe gezogen waren. 
Der Kammerdiener fragte den jungen Prinzen, ob er dieselben 
saufen wolle. Der Prinz freute sich beim Anblick der Kirschen und 
hätte sie gern gegessen. Als ihm aber gesagt wurde, daß sie fünf 
Thaler kosten sollten, fragte er verwundert: „Wie, für die Hand¬ 
voll Kirschen fünf Thaler?" Dann drehte er sich fest um und sagte 
entschieden: „Ich mag unb will sie nicht!" 
Bald barauf ließ sich ein Schuhmacher aus Potsbam melben. 
Der Kammerbierter erzählte dem Kronprinzen: „Der Mann ist lange 
elend und krank gewesen und hat deshalb nichts verdient. Um sich 
nun Leder kaufen zu sönnen, bittet er um zwanzig Thaler." 
Der Kronprinz hatte Mitleid mit dem armen Manne unb 
fragte: „Wieviel habe ich noch in ber Kaffe?" 
„Fünfzig Thaler," antwortete ber Kammerbiener. 
Da befahl er, bem Manne bie zwanzig Thaler zu geben unb 
Glück zu wünschen. 
Erfreut unb gerührt empfing ber beglückte Hanbwerker biefe 
Gabe unb wünschte, bem Prinzen feinen Dank selbst aussprechen 
zu biirfen. 
Der Prinz aber schlug bie Bitte mit ben Worten ab: „Ist 
gar nicht nötig, würbe ben armen Mann nur beschämen." 
b. Friedrich Wilhelm und der alte Fritz. 
Als Friebrich Wilhelm III. ein Knabe war, herrschte ber alte 
Fritz über Preußen. Der hatte an bem jungen Prinzen eine be¬ 
sondere Freube. 
Kurz vor seinem Tobe traf ber große König ben Prinzen im 
Schloßgarten. Es war bas letzte Mal, baß sie zusammen kamen. 
Friebrich Wilhelm erzählt barüber: „Der König war ganz 
zärtlich gegen mich. Er prüfte mich bann auch, besonbers fragte 
er nach ber Geschichte. 
Ich mußte französisch mit ihm sprechen. Dann zog er ein 
französisches Buch aus ber Tasche. Ich mußte ein Stück übersetzen. 
Es ging gut, unb ba er mich lobte, sagte ich, baß ich bas Stück 
schon bei meinem Lehrer übersetzt hätte. 
Da würbe sein ernstes Gesicht ganz heiter, er streichelte mir 
fanft bie Backen unb sagte: „So ift's recht, lieber Fritz, nur immer 
ehrlich unb aufrichtig! Wolle nie scheinen, was du nicht bist, fei 
stets mehr, als bu scheinst!" 
Diese Ermahnung hat einen liefert Einbruck auf mich gemacht; 
ich habe sie nicht vergessen, unb Verstellung unb Lüge stnb mir 
von Kinbesbeinen an zuwiber gewesen.
	        
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