Full text: Vom Westfälischen Frieden bis zum Ausbruch des Weltkrieges (Teil 2)

• § 131. Einführung von Landesverfassungen. 157 
Volk verlor das Interesse an den öffentlichen Angelegenheiten und gewann 
Sympathien für französische und englische Einrichtungen. Franzosen 
und Engländer sahen mit Geringschätzung auf die Deutschen herab. 
§ 131. Einführung von Landesverfassungen. 
1. Artikel 13 der Wiener Bundesakte stellte die Einführung von äto®d,9cÄ!rl> 
Verfassungen in den Einzelstaaten in Aussicht. Verschieden war das ° unb ®üb- 
Verhalten, welches die Regierungen dieser Bestimmung gegenüber be¬ 
obachteten. Im allgemeinen herrschte ein schroffer Gegensatz 
zwischen Nord und Süd. Während man dort die Rückkehr zu 
einer aristokratisch-absolntistischen Staatsordnung, zur Herrschaft des 
Adels und des Beamtentums anstrebte, suchte man hier den Wünschen 
und Forderungen des Volkes gerecht zu werden und den Staat im 
freiheitlichen Sinne umzugestalten. 
2. Das erste Land, welches mit diesen zeitgemäßen Neuerungen «rias von Ver- 
Ernst machte, war das Herzogtum Nassau (1814). Ihm folgte mttJuMüb" 
Sachsen-Weimar, wo der Großherzog Karl August, der Freund SS 
und Gönner Goethes, 1816 eine Verfassung gewährte. Am 26. Mai 1816 182' 
1818 trat Bayern in die Reihe der konstitutionellen Staaten ein (§ 128,8). 
König Max I. Joseph schenkte seinem Volke eine Verfassung, auf Grund 
welcher sich ein volkstümliches und fortschreitendes Staatsleben ent- 
falten konnte. Er sicherte darin den Staatsbürgern Gleichheit vor 
dem Gesetze (namentlich in der Besteuerung), Sicherheit der Person 
und des Eigentums, Freiheit des Glaubens zu und knüpfte Gesetz- 
gebung und Besteuerung an die Mitwirkung einer Volksvertretung. 
1818 erhielten noch Baden, 1819 Württemberg und 1820 
Hessen-Darm st adt Verfassungen. 
3. Ein widerspruchsvolles Verhalten zeigte Preußen. Gerade Widerspruchs- 
seine Bevollmächtigen hatten auf dem Wiener Kongreß die Anträge ö° Preußens, 
auf Erlaß von landständischen Verfassungen gestellt. Friedrich 
Wilhelm III. hatte auch den ehrlichen Willen, in seinem Lande mit 
gutem Beispiel voranzugehen, und schon 1815 die Bildung von 
Provinzialvertretungen angeordnet, aus welchen dann die Versammlung 
der Landesrepräsentanten gewählt werden sollte. W. v. Humboldt, 
seit 1819 Minister, wies in einer Denkschrift die Notwendigkeit einer 
Landesrepräsentation nach und knüpfte an dieselbe die Hoffnung, daß 
sie die sittliche Kraft der Nation erhöhe und den Staat in seiner 
Entwicklung fördere. Da erfolgte die verhängnisvolle Tat K. Sands 
und erregte in dem schwankenden König Bedenken. Metternich warnte vor 
Zugeständnissen an den Geist der Zeit, und der preußische Adel, der 
am liebsten die Steinschen Reformen wieder rückgängig gemacht hätte, 
bekämpfe mit allen Mitteln bie auf Erlaß einer Verfassung hinzielenden 
Bestrebungen. Humboldt wurde entlassen. Die Verfassungsfrage blieb
	        
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