§ 142. Der Deutsche Krieg 1866. 203
süddeutsche Staaten schlössen, nachdem der Streit geschlichtet war, in
richtiger Erkenntnis, daß dies im Interesse ihrer politischen Macht-
stellnng und ihrer wirtschaftlichen Entwicklung gelegen sei, angesichts
der durch Frankreich drohenden Gefahren ein Schulz- und Trutz-
büudnis mit Preußen ab, wobei gegenseitige Bürgschaften für die
Integrität ihrer Gebiete geleistet, für den Kriegsfall der Oberbefehl
dem König von Preußen übertragen und die vorläufige Geheimhaltung
des Vertrages versprochen wurde.
Bedeutsames war geschehen, so beklagenswert es auch an sich war,
daß Deutsche mit Deutschen hatten kämpfen müssen. Der Gang der
Ereignisse hatte den jahrhundertelangen, lähmenden Dualismus der
beiden deutschen Großmächte beseitigt und das um etwa 1300
Quadratmeilen vergrößerte, nun geschlossene Preußen als leitende
Macht an die Spitze Deutschlands gestellt. Indem zu der durch den
Zollverein begründeten wirtschaftlichen Einheit die militärische
Einheit, wenigstens für den Kriegsfall, gekommen war, war die
Grundlage zur Neugestaltung Deutschlands gewonnen worden.
13. Der Verlauf des Krieges hatte für Preußen noch eine er-
freuliche Wirkung: Angesichts der glänzenden Waffentaten der Truppen
sah das Abgeordnetenhaus ein, wie notwendig die Heeresorganisation ge-
wesen und wie vortrefflich sie durchgeführt worden war. Infolgedessen
gewährte es der Regierung die im August 1866 nachgesuchte Indemnität,
b. h. die nachträgliche Anerkennung der seit 5 Jahren ohne gesetzliche
Grundlage geführten Verwaltung. Damit war der Verfassungskonflikt
beendet und der innere Friede wieber hergestellt (§ 139 Abs. 3—5).
§ 143- Die Zeit des Norddeutschen Bundes 1866—1871.
1. Der Krieg von 1866 hatte ben beutschuationalen Gebauten Gründung des
in seiner Entwicklung um einen erheblichen Schritt vorwärts gebracht. Sndei'ise?"
Weiteres zu seiner Kräftigung imb Ausgestaltung geschah in ben
solgenben vier Jahren. Noch im Dezember 1866 vereinigten sich bie
Vertreter der sämtlichen norddeutschen Regierungen in Berlin, um
einen von der preußischen Regierung ausgearbeiteten Entwurf einer
Verfassung des zu gründenden Norddeutschen Bundes zu beraten.
Nachdem derselbe ihre Billigung gefunden, wurde er einem aus allge-
meinen und direkten Wahlen hervorgegangenen norddeutschen Reichstag
vorgelegt, der am 24. Februar 1867 zusammentrat. Auch dieser nahm,
obgleich der Selbständigkeit der Einzelstaaten zu Gunsten der Gesamt-
heit manche Opfer auferlegt wurden, das Verfassungswerk an, so daß
König Wilhelm I. in seiner Thronrede am Schlüsse des Reichstages
sagen konnte: „Mit patriotischem Ernste haben Sie die Größe Ihrer
Aufgabe erfaßt, mit freier Selbstbeherrschung die gemeinsamen Ziele
im Auge behalten. Darum ist es uns gelungen, auf sicherem Grunde