Full text: Vom Westfälischen Frieden bis zum Ausbruch des Weltkrieges (Teil 2)

270 X. Von der Wiederaufrichtung des Deutschen Kaisertums bis zum Weltkriege. 
vertrauen. Bis in seine untersten Kreise hinein bestand mehr oder 
weniger die Erkenntnis, daß man gewaltige Aufgaben zu lösen und 
unermeßliche Opfer zu bringen habe, daß es sich um Sein oder Nicht- 
sein unseres Reiches, um die Behauptung der Errungenschaften unserer 
Väter, der Früchte einer fast 50 jährigen rastlosen Arbeit auf wirschaft- 
lichem und kulturellem Gebiete handle; nichtsdestoweniger aber sah 
man im Gefühle der Kraft und in der Überzeugung von der Tüchtig- 
feit und • Schlagfertigkeit unseres Heeres, von der Gediegenheit aller 
unserer Einrichtungen, von der Leistungsfähigkeit unseres Verkehrs- 
Wesens, vor allem aber von der Gerechtigkeit unserer Sache mit Zu- 
versteht den kommenden schweren Zeiten entgegen. Niemals fühlten 
sich die Deutschen einiger und geschlossener als jetzt unter dem Eindruck 
der gemeinsamen Not und dieses Gefühl der Einigkeit und Geschlossen¬ 
heit war auch im Kaiser lebendig, der am 1. August vom Balkon 
seines Schlosses aus der Menge zurief: „Ich kenne keine Parteien 
und keine Konfessionen mehr; wir sind heute alle Deutsche." — Am 
4. August trat der Reichstag zusammen. Seine kurze Tagung führte 
zu einer der erhebendsten Kundgebungen, welche die Geschichte kennt. 
Nachdem der Kaiser eine markige Thronrede verlesen hatte, gelobten 
ihm die Führer der Parteien in die Hand, „mit ihm zusammenzuhalten 
durch dick und dünn, durch Not und Tod." Einmütig bewilligte der 
Reichstag die für die Kriegsführung geforderten 5 Milliarden Mark 
und brachte den in der ganzen Nation herrschenden Geist opferwilligster 
Hingabe und rückhaltlosen Vertrauens in so überwältigender Weise 
zum Ausdruck, daß der Reichskanzler v. Bethmann-Hollweg, als er 
am Schlüsse der Sitzung dem Reichstag den Dank des Kaisers und 
seiner hohen Verbündeten ausgesprochen, sagen konnte: „Was uns 
auch beschieden sein mag: der 4. August wird bis in alle Ewigkeit 
hinein einer der größten Tage Deutschlands sein."
	        
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