Full text: [Teil 3 = Kl. 7 (4. Schulj.), [Schülerband]] (Teil 3 = Kl. 7 (4. Schulj.), [Schülerband])

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135. Schnurri. 
Meine Schnurri war mir so anhänglich wie ein Hündchen, 
obgleich sie nur eine Katze war. Gegen Fremde freilich war sie 
immer scheu. Sie wich den Menschen aus, wo sie nur konnte. 
Aber das hatte seinen guten Grund, denn Schnurri hatte böse 
Erfahrungen mit ihnen gemacht. Als sie noch ein ganz kleines 
Kätzchen war, da hatten sie böse Jungen unter einer Haustür 
weggestohlen und mit sich auf eine Wiese geschleppt, wo sie das 
Tierchen aufs unbarmherzigste mißhandelten. Ein jämmerliches Ge¬ 
schrei, das ich bis in meine unfern gelegene Wohnung hörte, führte 
mich zur Entdeckung der Missetat, und ich rettete das gequälte 
Geschöpf aus den Händen der herzlosen Kinder. Als ich Schnurri 
von ihren Wunden geheilt hatte, da war sie mir mit einer rühren¬ 
den Dankbarkeit ergeben. Ich brauche euch wohl nicht zu schildern, 
was lo ein Tierchen alles tut, um seinem Wohltäter seine An¬ 
hänglichkeit und Zuneigung zu beweisen. Es haben ja die meisten 
von euch wohl auch ein Tierchen, das euch dankbar ist für er¬ 
wiesene Wohltaten, und das an euch hängt mit seinem ganzen 
kleinen Herzen, sei es Hund oder Katze oder ein Lämmchen oder 
Vögelchen. Die Anhänglichkeit eines treuen Tieres ist eine Quelle 
vieler Freude, und die Menschen sind recht zu bedauern, die diese 
Freude nicht kennen. Wie oft hat doch ein Mensch, den das Glück 
verließ, keinen anderen Freund als ein treues Tier. 
Gegen die Katze haben zwar viele Leute eine Abneigung; 
aber das sind zumeist solche, die sie entweder gar nicht kennen oder 
nur aus vernachlässigten, verfolgten und verwilderten Exemplaren. 
Diese stellen ihr dann den schlechten Leumund, sie sei falsch, bos¬ 
haft, treulos und hänge als herzloser Egoist nur am Haus und 
nicht an den Menschen. Habt ihr aber schon je gesehen, daß gute 
Menschen, die ihre Tiere liebevoll behandeln, eine falsche, boshafte, 
wilde Katze gehabt hätten? Ich nie. Eine gut erzogene und gut 
behandelte Mieze hängt ebenso an ihrem Herrn wie ein gut be¬ 
handelter Hund. Ich habe schon dreimal Quartiere gewechselt, 
und Schnurri ist es nicht im Traum eingefallen, in der alten 
Wohnung zu bleiben. Sie ist nur unglücklich, wenn ich fortgehe 
und sie allein lasse. Dann sucht sie leise miauend in allen Zimmern, 
und sobald sie meinen Tritt auf der Treppe hört, läuft sie zur
	        
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