Schiller: Das deutsche Kulturleben im Zeitalter Friedrichs des Großen. 191
ausgeschlossen. Und tüchtige Elemente konnten sich nicht angelockt finden, ihr
Kapital und ihre Arbeit gerade in der Landwirtschaft anzulegen; denn noch
stand die Volkswirtschaft unter dem beherrschenden Einflüsse merkantilistischer
Ideen, die Verwertung der Bodenerzeugnisse war durch Ausfuhrverbote und
unvollkommene Verkehrsmittel außerordentlich erschwert. Trotz alledem ver-
breiteten sich neue Kulturen, wie der Kartoffel- und Kleebau, und der Obstbau
trat in Württemberg unter den Bemühungen des Herzogs Karl schon auf
jene hohe Stufe, welche dieses Land zur reichsten Obstquelle Deutschlands
macht, und wurde in anderen Gegenden auf Kosten des Weinbaues aus-
gedehnt; das Gebiet der Rebe begann seit dieser Zeit immer weiter nach
Westen und Süden zurückzuweichen. Schon kannte man hie und da künst-
liche Düngmittel, vor allem Gips; die Stallfütterung griff mehr um sich;
um Veredlung der Viehrassen, namentlich der Schafe durch Einfuhr der
spanischen Merinos, bemühte man sich. Nach dem Siebenjährigen Krieg
entstanden vielfach landwirtschaftliche Vereine, und eine neue Literatur suchte
die wissenschaftlichen Entdeckungen den Landwirten zuzuführen. So war
doch das Endergebnis günstig: die Rente aus der Landwirtschaft war überall
im Steigen.
Noch bedeutender und sichtbarer waren die Fortschritte auf gewerblichem
Gebiete; die alten Zustände waren unhaltbar geworden, und die alten Sitze
der mittelalterlichen Industrie verkommen. Das Kunsthandwerk Nürnbergs
zeigte sich allein noch in den Spielwaren, dem „Nürnberger Tand"; die alte
Leinweberei Augsburgs war völlig verfallen, nur Gold- und Silberarbeiten,
Galanteriewaren und kunst- und geschmacklose Heiligenbilder wurden hier
noch in nenenswertem Umfange fabriziert. Regensburg lebte nur noch vom
Reichstage; Cöln, einst der blühendste Sitz des Kunsthandwerks, hatte keine
Ausfuhr mehr, seine Malerschule war zur Tüncherzunft herabgesunken. Viel
besser stand es in den großen fürstlichen Gebieten. Zu den altherkömmlichen
Gewerben der Eisenindustrie, der Tuch- und Leinenweberei, die beide noch
ganz überwiegend als Hausindustrie betrieben wurden, traten seit der Mitte
des 18. Jahrhunderts die Baumwollenmanufaktur, die Glasindustrie und
das Lieblingskind des fürstlich-merkantilistischen Dilettantismus, die Seiden-
raupenzucht; noch vor 50 Jahren erinnerten Maulbeerbaumpflanzungen im
ganzen Süden an diese Zucht. In Preußen waren, abgesehen von den west-
Mischen Landschaften, Schlesien und die Kurmark die wichtigsten Industrie-
gebiete, Berlin bereits die erste Fabrikstadt des gesamten Staates; es beschäf-
tigte im Jahre 1783 bereits über 10 000 Arbeiter, und der Wert der hier
erzeugten Waren belief sich auf 6 Millionen Taler; in Crefeld zählte um
1770 die größte Seidenfabrik fast 3000 Arbeiter an 714 Stühlen. In
Sachsen nahm die Gewerbetätigkeit einen solch glänzenden Aufschwung, daß
bereits ein Drittel der Bevölkerung darin tätig war.