Full text: Deutsche und brandenburgisch-preußische Geschichte vom Ausgange des Dreißigjährigen Krieges bis 1815 (Bd. 2)

Die Rückkehr der „Großen Armee". 1812. 
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erklommen mit vieler Mühe die Höhe, indem wir die Eisbahn im Gebüsch 
umgingen. Die geschäftigen Kosaken hatten bald den Niemen auf der natür- 
iichen Brücke überschritten und machten hier die letzte bedeutende Beute. Wir 
irrten nunmehr so lange quer durch den Wald im tiefsten Schnee fort, bis 
wir die Straße wieder erreichten. Gegen Abend zwang uns die Not, die- 
selbe wieder zu verlassen, um ein Dorf aufzusuchen, was wir glücklich fanden. 
Die Verfolgung durch die Russen hörte, nachdem wir den preußischen Boden 
betreten hatten, nach und nach aus. Sie hatten Kowno angegriffen, die 
letzten wenigen hundert Mann unter Ney geworfen und zerstreut und somit 
die letzte Stadt ihres Gebiets zurückerobert, so daß am 14. Dezember kein 
bewaffneter Mann der französischen Armee, mit Ausnahme des Macdonaldschen 
Korps in Kurland, jenseits des Niemen war. So konnten auch wir unseren 
ferneren Weg nach Gumbinnen mit Ruhe und sogar mit einiger Bequemlich- 
feit fortsetzen. In einem Dorfe verschafften wir uns einen einspännigen 
Schlitten, auf welchem der Sohn des Generals fortgebracht wurde. Einer 
Zigeunerbande gleich zogen wir von Dorf zu Dorf durch tiefen Schnee und 
erreichten am 16. Schirwind. die erste preußische Stadt. In diesem Orte 
hatte ich im Kriege 1807 einige Zeit gestanden und fand einige bekannte 
Menschen wieder. Ich begab mich nach dem Rathause und bat um Unter- 
fünft, die bereitwilligst gewährt wurde, weil der General als Deutscher und 
ich als ehemaliger preußischer Offizier viel Teilnahme erregten. Wir erhielten 
in einem der besten Häuser bei der Witwe eines preußischen Offiziers, der 
Frau Majorin v. Gerhard, Quartier angewiesen. Diese Dame sah uns 
mit großen Augen an. als wir ihr Haus betraten, und als sie hörte, daß 
ein General mit seinen Adjutanten, durch kein äußeres Abzeichen erkennbar, 
sondern in Schafpelze und Lumpen gehüllt, voller Schmutz, vom Rauch der 
Biwaks geschwärzt, mit langen, von Eis starrenden Bärten. mit erfrorenen 
Gliedern ihre Gäste sein sollten. Sie wußte nicht, ob sie davonlaufen oder 
bleiben sollte; wir waren in unserem Aufzuge nicht minder befangen, uud 
so war die Verlegenheit groß, bevor wir uns einigermaßen verständigten 
und in das reinliche, wohlgeordnete Haus, in das freundliche Zimmer ein- 
zutreten wagten — hatten wir doch seit sieben Monaten keine mit den 
Bequemlichkeiten des Lebens versehene menschliche Wohnung erblickt. Endlich 
nachdem die ersten beiderseitigen Eindrücke überwunden waren, bot unsere 
Wirtin alles auf, um durch Sorgfalt und Aufmerksamfeit unsere Lage soviel 
wie möglich zu verbessern, und nahm uns mit wahrer Teilnahme und Herzens- 
gute auf. 
Es ist nicht möglich, den Eindruck zu schildern, welchen der Ausenthalt 
in einer reinlichen menschlichen Wohnung auf uns machte. Das Wiederfinden 
von Menschen, die unsere Sprache redeten, ihre Gastfreundschaft, ihre Teil- 
nähme, die Befriedigung so mancher lange entbehrten Bedürfnisse und 
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