Full text: Deutsche und brandenburgisch-preußische Geschichte vom Ausgange des Dreißigjährigen Krieges bis 1815 (Bd. 2)

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Schiller: Der Wiener Kongreß. 
stellungen in Süddeutschland und am Oberrhein endgültig aufgeben. Er 
wollte weiter zwar das Kaisertum nicht wiederherstellen, wohl aber in anderer 
Form die österreichische Vorherrschaft über Deutschland sichern, die ihre 
Stützen hauptsächlich in den Rheinbundstaaten suchen sollte. Da diese eine 
straffere Bundesverfassung zurückwiesen, trat er sür eine solche auch nicht 
ein, noch unsympathischer war ihm aber der Gedanke, diese Vorherrschaft mit 
Preußen teilen zu sollen. In demselben Sinne arbeiteten die Mittelstaaten 
und Talleyrand, der mit großem Geschicke Frankreich als den Beschützer der 
Kleinstaaten hinzustellen verstand; Preußen haßte er, weil dieser Staat in 
dem Befreiungskriege zum Siege am meisten beigetragen hatte und von 
ihm die Aufnahme einer energischen deutschen Politik zu befürchten war. 
Die Politik Englands auf dem Festland wurde einerseits durch den Wunsch 
des hannoverschen Ministers Grafen Münster beeinflußt, ein großes Welfen- 
reich an der Nordfee aufzurichten, anderseits durch die Absicht, das nieder- 
landische Reich der Oranier durch Belgien und Teile des linken Rheinufers 
möglichst zu verstärken; in beiden Fällen hätte Preußen die Kosten zu tragen 
gehabt. Metternich hatte für Österreich die Negationen ausersehen, während 
Murat die südlichen Teile des Kirchenstaates erhalten sollte (Vertrag vom 
11. Januar 1814), außerdem die Alpenpässe. Die kleinen italienischen Staaten 
sollten etnen Bund unter dem Schutze des Kaisers von Österreich bilden. 
England hatte im Prager Vertrag diesem Projekte zugestimmt (27. Juli 
1813). Der Einigkeit Österreichs, Frankreichs und Englands in dem Wunsche, 
Preußen niederzuhalten, gegenüber fand dieses zunächst an Rußland noch 
keine zuverlässige Stütze. Denn der Lieblingsgedanke des Zaren, Polen als 
ein konstitutionelles Königreich in Personalunion mit Rußland zu bringen, 
erweckte bei jenen Mächten Bedenken, und noch weniger konnte sich Preußen 
mit dem Projekte einverstanden erklären, da ein Königreich Polen mit den 
Grenzpunkten Krakau, Kaiisch, Thom nicht nur Rußland eine höchst bedroh¬ 
liche Angriffslinie gab, sondern die Anziehungskraft eines, wenn auch unselb¬ 
ständigen, Gemeinwesens von nationalem Gepräge den Nachbarn und Besitzern 
polnischer Gebiete ernste Sorgen erregen mußte. Noch verkehrter war aber 
der englische Plan, Preußen Polen bis zur Weichsel zu geben. Aber die 
Einwirkung seiner Gesandten blieb ohne Erfolg, da sie sich stets im Jrrtume 
über die Pläne Österreichs befanden. Sie lebten in dem Wahne, Metternich 
fei ein Freund Preußens, und gingen bei der Gebietsverteilung und der 
Gestaltung der deutschen Verfassung von dem Gedanken aus, Österreich und 
Preußen sollten friedlich nebeneinander stehen und gemeinsam die Hegemonie 
in Deutschland führen. Dies dachten sie dadurch verwirklichen zu können, daß 
Preußen im Norden ein möglichst abgerundetes Gebiet bekäme, namentlich 
Sachsen sich angliederte, Österreich dagegen im Süden und am Oberrheine 
eine ebenso starke Stellung erhielte. Metternich wies aber diesen Gedanken
	        
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