Full text: Deutsche und brandenburgisch-preußische Geschichte vom Ausgange des Dreißigjährigen Krieges bis 1815 (Bd. 2)

Erdmannsdörffer: Brandenburg unter Georg Wilhelm. 
61 
und europäische Krisis erfaßte diesen Staat gerade in dem ungünstigsten 
Zeitpunkt, wo derselbe vermöge der erwähnten Gebietserweiterungen den 
Übergang in neue größere Verhältnisse zu vollziehen hatte. Während eines 
Erdbebens ist schlecht zu bauen. Aber in der Tat war dieser Georg Wilhelm 
auch einer der mindest befähigten in der Reihe der Hohenzollernschen 
Herrscher. Es mangelt seinem gesamten Tun jede feste Willensrichtnng. 
Haltlos schwankt er zwischen den Parteien. Es fehlt nicht an Versuchen 
kräftigeren Aufschwungs; zum Heil führte keiner; jedes Mißgeschick aber 
drängte von neuem zurück auf die Mittelwege entschlußloser Ohnmacht, auf 
denen das Verderben noch viel sicherer war. So ist das Leben dieses Staates 
in jener verhängnisvollen Zeit jedes erhebenden Momentes bar: sein Handeln 
ohne Kraft und Charakter, sein Leiden ohne Würde; kaum daß noch in ein- 
zelnen Kreisen eine Erinnerung daran sich erhielt, daß man vor kurzem noch 
auf anderen Wegen zu wandeln begonnen hatte. 
Aber diese Traditionen, wie sie in einem Teile des höheren Beamten- 
tums fortbestanden, wurden zurückgedrängt. Den größten Teil seiner 
Regierungszeit hindurch stand Georg Wilhelm unter dem beherrschenden 
Einfluß eines Ministers, der ganz anderen Anschauungen huldigte. Es war 
Graf Adam von Schwarzenberg, ein katholischer Edelmann aus den jülich- 
klevischen Landen, der schon bei der brandenburgischen Besitzergreifung dort 
gute Dienste geleistet und seitdem sich allmählich zum entscheidenden Ratgeber 
des Kurfürsten erhoben hatte. So gelangte man hier zu dem eigentümlichen 
Verhältnis, daß die Lande des Kurfürsten zum größeren Teil lutherisch, er 
selbst reformiert und sein leitender Minister katholisch war. Es ist durch 
nichts erwiesen, daß Schwarzenberg die Sache des Fürsten, dem er diente, 
in bewußter Weise verraten und als erkaufter Söldling des kaiserlichen Hofes 
die brandenburgische Politik geleitet habe. Aber er gehörte mit Überzeugung 
einer politischen Richtung an, die auch sonst im Reich ihre Anhänger hatte 
(besonders Kursachsen. Hessen-Darmstadt n. a.), und welche in dem plan- 
losen Wirrsal der deutschen Verhältnisse und gegenüber der eigensüchtigen 
Übermacht der beiden großen Fremdmächte Schweden und Frankreich doch 
immer noch die relativ beste deutsche Fürstenpolitik im freien Anschluß an 
den Kaiser zu finden meinte; einer eigentlichen katholischen Tendenzpolitik 
kann man ihn nicht wohl beschuldigen. Der Prager Friede von 1635, 
welchen der Kurfürst Johann Georg von Sachsen durch seinen Vortritt dem 
größten Teil der deutschen Reichsstände ausnötigte, war der vollste Ausdruck 
dieser Anschauungen, die freilich praktisch vornehmlich der Sache des fatfer- 
liehen Hanfes Österreich zugute kamen. Auch Georg Wilhelm von Branden¬ 
burg schloß sich, dem Rate Schwarzenbergs folgend, diesem Frieden an, 
brach mit den Schweden und ihren protestantischen Bundesgenossen im Reich, 
trat auf die Seite des Kaisers.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.