Erdmannsdörffer: Brandenburg unter Georg Wilhelm.
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und europäische Krisis erfaßte diesen Staat gerade in dem ungünstigsten
Zeitpunkt, wo derselbe vermöge der erwähnten Gebietserweiterungen den
Übergang in neue größere Verhältnisse zu vollziehen hatte. Während eines
Erdbebens ist schlecht zu bauen. Aber in der Tat war dieser Georg Wilhelm
auch einer der mindest befähigten in der Reihe der Hohenzollernschen
Herrscher. Es mangelt seinem gesamten Tun jede feste Willensrichtnng.
Haltlos schwankt er zwischen den Parteien. Es fehlt nicht an Versuchen
kräftigeren Aufschwungs; zum Heil führte keiner; jedes Mißgeschick aber
drängte von neuem zurück auf die Mittelwege entschlußloser Ohnmacht, auf
denen das Verderben noch viel sicherer war. So ist das Leben dieses Staates
in jener verhängnisvollen Zeit jedes erhebenden Momentes bar: sein Handeln
ohne Kraft und Charakter, sein Leiden ohne Würde; kaum daß noch in ein-
zelnen Kreisen eine Erinnerung daran sich erhielt, daß man vor kurzem noch
auf anderen Wegen zu wandeln begonnen hatte.
Aber diese Traditionen, wie sie in einem Teile des höheren Beamten-
tums fortbestanden, wurden zurückgedrängt. Den größten Teil seiner
Regierungszeit hindurch stand Georg Wilhelm unter dem beherrschenden
Einfluß eines Ministers, der ganz anderen Anschauungen huldigte. Es war
Graf Adam von Schwarzenberg, ein katholischer Edelmann aus den jülich-
klevischen Landen, der schon bei der brandenburgischen Besitzergreifung dort
gute Dienste geleistet und seitdem sich allmählich zum entscheidenden Ratgeber
des Kurfürsten erhoben hatte. So gelangte man hier zu dem eigentümlichen
Verhältnis, daß die Lande des Kurfürsten zum größeren Teil lutherisch, er
selbst reformiert und sein leitender Minister katholisch war. Es ist durch
nichts erwiesen, daß Schwarzenberg die Sache des Fürsten, dem er diente,
in bewußter Weise verraten und als erkaufter Söldling des kaiserlichen Hofes
die brandenburgische Politik geleitet habe. Aber er gehörte mit Überzeugung
einer politischen Richtung an, die auch sonst im Reich ihre Anhänger hatte
(besonders Kursachsen. Hessen-Darmstadt n. a.), und welche in dem plan-
losen Wirrsal der deutschen Verhältnisse und gegenüber der eigensüchtigen
Übermacht der beiden großen Fremdmächte Schweden und Frankreich doch
immer noch die relativ beste deutsche Fürstenpolitik im freien Anschluß an
den Kaiser zu finden meinte; einer eigentlichen katholischen Tendenzpolitik
kann man ihn nicht wohl beschuldigen. Der Prager Friede von 1635,
welchen der Kurfürst Johann Georg von Sachsen durch seinen Vortritt dem
größten Teil der deutschen Reichsstände ausnötigte, war der vollste Ausdruck
dieser Anschauungen, die freilich praktisch vornehmlich der Sache des fatfer-
liehen Hanfes Österreich zugute kamen. Auch Georg Wilhelm von Branden¬
burg schloß sich, dem Rate Schwarzenbergs folgend, diesem Frieden an,
brach mit den Schweden und ihren protestantischen Bundesgenossen im Reich,
trat auf die Seite des Kaisers.