X. Deutsche Kaisergeschichte. Zweites Kapitel. 99
aus erster Ehe, bestritt seinem kaiserlichen Stiefvater das Recht auf
Burgund, welches der ihm verwandte Bnrgnnderkönig für den Fall
seines Todes durch einen Erbvergleich Heinrich II. zugesichert hatte.
Trotz Acht und Bann ließ der von seinen Vasallen verlassene und ge-
demütigte Herzog Ernst nicht von der Treue zu seinem Freunde, dem
Grafen Werner von Kyburg, welcher dem Kaiser fortgesetzt trutzte.
Diese bis zum Tode bewahrte Treue hat die Dichter zur Besingung
seiner vielfach ausgeschmückten Schicksale im Siebe vom Herzog Ernst
angetrieben. Konrad II. fesselte die kleinern Vasallen, die Ritter, an
das Königtum, indem er durch Reichsgesetz — zunächst für Ober-
italien — die Erblichkeit der kleinen Lehen festsetzte. Dadurch
machte er es dem ritterlichen Kriegerstande möglich, dem Kaiser als
obersten Lehnsherrn die Treue zu bewahren, ohne den Verlust seiner
Lehen befürchten zu müssen, wenn die übermütigen Großen die Lehns-
treue ihrer ritterlichen Vasallen zur Auflehnung gegen das Reichsober-
Haupt ausbeuten wollten.
Als das fränkische Haus zur Herrschaft kam, befand sich die
Kirche in einem Zustande der Entartung: die niedere Geistlichkeit
und die Mönche der alten Klosterorden waren großenteils in Roheit
und Unwissenheit geraten, der höhere Klerus war weltlichen Interessen
hingegeben. Die Simonie, der Kauf geistlicher Ämter und Pfründen,
war allgemein im Schwange; auch Konrad II., der keine großen Erb-
güter mit auf den Thron brachte, erlaubte sich, von den neuen Äbten
und Bischöfen große Summen Geldes anzunehmen. Da ging vom
Kloster Clugny in Burgund die Anregung zu einer durchgreifenden
Reformation der eingerissenen Mißbräuche und zu einem asketischen
Leben der Geistlichen und Mönche aus. Voll heißer Frömmigkeit und
mit großer Herrscherkraft lieh Heinrich HI. diesen streng kirchlichen
Bestrebungen seinen Arm. Sein Gedanke war, kraft seines kaiser-
lichen Amtes überall den rechten Glauben und christliche Zucht aufzu-
richten, zu diesem Zwecke die Laien dem Priester, die Priester dem
Bischof, die Bischöfe dem Papste, den Papst aber dem Kaiser zu
unterwerfen und auf solche Art durch den allgegenwärtigen Or-
ganismns der Kirche die kaiserliche Herrschaft über den christ-
lichen Erdkreis zu verwirklichen. Den päpstlichen Stuhl besetzte er
mit gleichgesiunten deutschen Bischöfen; die Herzöge behandelte
er als seine Statthalter; Böhmen, Polen, sogar Ungarn, sowie die
in Apulien und Kalabrien ausgebreiteten Normannen hielt er in
Lehnspflicht; sein kaiserlicher Einfluß erstreckte sich durch Belebung der
christlichen Mission über Dänemark und Norwegen; sein kaiserliches
Ansehen wurde von Clugny aus sogar in Frankreich befördert: er war
nahe daran, eine fränkische Erbmonarchie in Deutschland aufzu-
richten und die Kaisergewalt nach ihrer höchsten Idee zu ver-
wirklichen. Da, in seinem 39. Jahre, ereilte den Gewaltigen in seiner
Burg Bodfeld im Harze der Tod, und nun trat ein plötzlicher, aber