Full text: Handbuch für den deutschen Unterricht in den oberen Klassen der Gymnasien (Theil 2)

Zweite Periode. 
Die Blütezeit des Mittelhochdeutschen. 
Von der Ausbildung des Ritterthums bis zur Ausbildung des Städte- und Zunftwesens. 
1125-1325. 
Mittelhochdeutsch. Kunstgerechte Durchbildung von Reim-, Vers- und Strophenbau. Poesie beim Ritterstande. 
a) 1125—1185. Aufblühen. Schwanken und Suchen in Stoff und Form. 
1>) 1185—1225. Höchste Blüte. Maß im Reichthum. 
c) 1225—1325. Nachblüte. Ueberwucherung oder Verarmung. 
L. E p i s ch e s. 
A. Aus der vorbereitenden Zeit (bis auf H. v. Veldek). 
(Die folgenden Stücke, mit Ausnahme deS ersten, aus der Zeit 1160—1185. Siehe das Nähere S. 772.) 
Aus einer Bearbeitung der Bücher Moses. (Um 1122.) 
Ane Got enist niweht mangel, 
er was ie än anegenge. 
dö ne was nieman mère, 
dô hiez er engel werde; 
zehen chöre er bestifte, 
mit engelen er si al berihte. 
Zwâre wil ich in daz sagen, 
er gab ieglichem chöre sînen namen: 
einen namete er engele, 
den anderen höchengele, 
den dritten gestuole, 
den vierden herscefte. 
den finften namete er gewalte, 
den sehsten fürsten; 
einen namete er chérubin, 
den anderen séraphin. 
Dô hiez er werden einen engel, 
der scain üz den anderen allen, 
er was anderer engel wunne, 
wante ime Got wol gunde 
wunne in dem himele; 
sînes chöres was ein michel menege. 
ze wäre sagen ih iu daz, 
er nant in liehtvaz; 
er was Gote vil liep, an ime huop 
sich allerêst ubermuot. 
Got der ist genädic unde guot, 
vil starke wideröt er die ubermuot : 
wände daz liez er wole seinen 
an dem unseligen. 
dô er begunde kosen 
mit sînen genôzen : 
er sprach in zuo vil ubermuoteclich ; 
er sprach: »min maister ist gewaltich 
hie in himele; 
er wànet ime enmege iuweht sin widere, 
ich pin alsame hère, 
ih ne wil ander ime wesen ni mère; 
ich pin also scône, 
ich wil mit mlnem chöre 
| ebengewaltich ime wesen, 
ich wil âne in genesen 
I unde wil den stuol min 
setzen norderenhalp sin 
üf deine himele, 
ich wil iz ime haben ebene.« 
Got der sprach dô 
i eineme sineme holden zuo : 
»ich wil dir sagen Michahel, 
wie min holde Lücifer 
hat erhaben sich wider mir. 
geboten si dir, 
daz er vil sciere sî verstôzen 
mit allen sînen gnôzen 
vone himile in die helle, 
mit allen, die ime gehengen; 
unde die der joch zuo geswigen; 
sich daz ir deheiner hie belibe.« 
Dô Got daz gebot, 
der chör wart zestöröt, 
dô scain der Gotes gewalt : 
Michahel huob üf sine hant, 
er tete demo tievele einen slach, 
daz der himel ander ime brast, 
daz er ze der stunde 
vuor in abgrunde 
mit sö micheler menege, 
saine ein weter körne mit regene, 
dri tage unde dri naht; 
vil michel ist diu Gotes mäht. 
Bone'ê Lesebuch II. Th. 9 '¿lusl. 
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