244 Zweiter Abschnitt. Geschichte des Mittelalters.
sam einzunehmen. Hier trat aber bald ein Bruch ein zwischen den ge-
nuißigtern Kalixtinern (Kelchgesinnten) und den wildenTaboriten—-
sogenannt von ihrer festen Stadt Tabvr —, welche weit über die Forde¬
rungen des Hus hinausgingen. Sie verlangten Vernichtung aller
Bücher mit Ausnahme der Bibel, Verbannung aller Künste und Wis¬
senschaften , weil sie dem Heidentume entstammten, Abschaffung der
Kirchen, Aufhebung des Königtums, Einführung der Volksherrschaft,
teilweise sogar Gütergemeinschaft. Die fanatischen Bauernrotten führten
unter dem wildtrotzigen, klugen und tapfern Johann, Edlen von Tro-
cznow, genannt Ziska, der Einäugige, einen Vernichtungskrieg
im Lande gegen alle, die es nicht mit ihnen hielten. Fünf allgemeine
Kreuzzüge vermochten die Hussiten nicht zu bezwingen. Schrecken
und Entsetzen ging vor ihnen her, die mit eisenbeschlagenen Dreschfle-
geln, Feuerhaken und deu beweglichen Burgen ihrer durch Ketten ver¬
bundenen Wagen alles zermalmten. Nach Ziskas Tode trug Prokop
der Große als Führer der Taboriten den Krieg in die österreichischen,
schleichen, sächsischen und bayrischen Lande; denn die hussitischen
Scharen sahen sich als das „Volk Gottes" an, berufen, die „Sananv
tcr und Philister" ringsum auszurotten und „das neue Jerusalem" in
der Welt aufzurichten. Endlich, nach einer abermaligen Niederlage
eines großen Reichsheeres, gewährte das neue Konzil zu Basel
dem böhmischen Landtage die hnssitischen Forderungen des Kelches, der
freien Predigt, der Bestrafung der Geistlichen wegen Verbrechen u. a-
Die Gemäßigten mit dem Adel, entsetzt über die wüste Pöbelherr-
schast, erfochten einen Sieg über die Taboriten, und die Kriegs
rotten derselben lösten sich allmählich auf. Aus dem bessern, in der
Stille lebenden Teile derselben ging die böhmisch-mährische Prüderge
meinde hervor, die unter mancherlei Verfolgungen ihren Glaubt
läuterte und durch ernste Zucht und Sitteneinfalt einen ehrwürdigen
Charakter gewann. Sigmund, nun als König von Böhmen nner
kanut, wendete die reiche luxemburgische Erbschaft Böhmen, <ScW
fien, Mähren, Ungarn, Moldau, Wallachei, Serbien und Bosnien in'1
der Haud seiner Tochter Albrecht dem II. von Österreich zu, mit den>
nun das Haus Habsburg in den dauernden Besitz des Kaise^
tums gelangte. Die böhmische Bewegung hinterließ aber eine nach
haltige Wirkung, da auch das Konzil zu Basel die Hoffnungen auf einc
Reformation der Kirche nicht erfüllte.
Albrecht II. (1438—39); die Habsburger im Besitz des Kaisertums.
Friedrich III. (1440—93); Konzil zu Basel, kirchliche Reaktion, Wirren &
Reiche. Karl der Kühne von Burgund.
§ 95. Die Hussitenkriege ließen die Gebrechen des Reiche^
namentlich den Übeln Zustand des Heer- und Gerichtswesens, hervo?
treten; man kam aber zu keiner Abhülfe: der Kaiser schob die Schuld
auf die Fürsten, die Fürsten auf deu Kaiser, der meist in seinen
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