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Bilder aus Ost-Europa.
auch die Feuchtigkeit lauge an sich, und selbst an Abhängen von
Hügeln tritt man ins feuchte Gras, wie in einen Sumpf. Fast alle
Wiesengründe sind mehr oder weniger sumpfig. Daher sind die Acker-
felder überall von tiefen Gräben durchschnitten, die das Wasser ab-
ziehen und sammeln. Daher sind die Straßen fast alle erhöht angelegt,
so daß sie erhöhte Dämme vorstellen. An manchen Orten hat sich der
feuchte Boden zu eigeutlichen Moor- und Moossümpfen ausgebildet.
Der Anblick eines großen lioländifchen Sumpfes ist eiu höchst trauriger.
Auf einer langen und weiten Strecke sieht man nichts, als nnsrucht-
bares Land, auf dein nur steife Riedgräser, die mit ihren weißen
Seidenbüscheln im Winde spielen, nnd hohe Binsen und blütenlose
Moose gedeihen. Nur hier und da stehen kümmerliche Birken und
krüppelhafte Fichten, zwischen denen niedrige Gesträuche sich kaum über
den Boden erheben. Alles ist kahle, wilde Einöde, bewohnt von
Schnepfen und Bekassinen, und belebt von den kreischenden Tönen des
Kiebitzes und der schnarrenden Wachtel, die sich im nassen Grase birgt.
Es giebt solche Sümpfe, die über eine Quadratmeile groß sind, in
Livland mehr als in Kurland, am wenigsten in dem mehr trocknen
Esthland. Manche Landschaften sind auch mit Seen durchwebt, dereu
Ufer sich gewöhnlich in sumpfiges Erdreich oder in kahlen Flursand
verlieren.
Livland und Kurland haben noch Fichten und Kiefernwälder,
wie sie in den meisten anderen Ländern Europas gar nicht mehr zn
finden sind. Hier und da giebt es sogar noch Urwälder, die so dicht
und wild sind, daß sie noch kein menschlicher Fuß betrat. Manche
Gutsbesitzer haben so viele grünende Masten in ihren Wäldern stecken,
,daß sie die ganze englische Flotte damit versehen könnten. Trotz der
großen Waldungen, der Sümpfe, Seen, Moorgründe und völlig öden
Sandstriche ist doch das Land im ganzen nicht unfruchtbar. Viel-
mehr scheint es namentlich dem Roggen, der Gerste, dem Flachse vor-
zugsweise zuzusagen, die nirgends in der Welt fröhlicher und voll-
kommener gedeihen als hier. Die Fruchtbarkeit nimmt jedoch vom
Süden uach Norden zu ab. In dem südlichen Litauen, dem
Weizenlande, findet sich die größte Fruchtbarkeit. Die Kurländer sehen
schon neidisch auf die Litauer, werden aber ihrerseits wieder von den
nördlichen Livländern ihres üppigen Bodens wegen beneidet. Die
Esthländer sind im ganzen genommen dürftiger als alle begabt.
Seit langen Jahrhunderten gehen daher die Getreidefrüchte dieser Ost-
seeprovinzen iu alle Welt. Schweden, Holland, England und andere
Länder wurden mit dem Brote dieser merkwürdigen Kornkammern seit
undenklichen Zeiten gefüttert. Die- liv- und kurländischen Saaten
werden auf allen Märkten als vorzüglich gelobt und wegen mancher
trefflicher Eigenschaften stehen sie in London, Amsterdam und Kopen-
Hägen in höherem Preise, als das Korn aller anderen Länder. Die
erfreulichen Gaben der Ceres wanderten von hier seit undenklichen
Zeiten auf allbekannten Wegen zu den Seestädten am Meeresstrande,
bauten dort vieler reicher Kausleute Häuser, schufen die Bürgerschaften