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Erbteil der Nation in Krieg und Frieden, in Heldenmut, Arbeitsamkeit und
Pflichterfüllung stets treu bewahrt werden wird.
§ ZZ. Leben und Sitte, Gultur und Kunst des 19. Jahrhunderts.
1 Leben und Sitte. Nach den Befreiungskriegen hob sich das Selbst-
aesühl des deutschen Volkes und gab sich in dem Streben nach verfassungs¬
mäßiger Mitwirkung an der Staatsverwaltung kund. Zugleich gelangte man
im neuen Jahrhunderte immer allgemeiner zu der Erkenntnis, daß jtch_ das
deutsche Volk auch von der freiwillig übernommenen Fremdherrschaft m
Sitte und Sprache. Geschmack und Mode befreien müsse. Aber die Zähig¬
keit, mit der die Nachahmung französischen Wesens fortwirkte, wurde erst
mit dem deutsch-französischen Kriege gründlich gebrochen und kann wohl erst
von der Zukunft ganz überwunden werden. Man entfernt die vermeidbaren
Fremdwörter, wendet sich mit Vorliebe der einheimischen Litteratnr Zu. lernt
die Erzeugnisse des deutschen Handwerkes, Kunstgewerbes und der mlandi-
schen Industrie mehr und mehr schätzen. Ties hat auch erneu großen Einfluß
aus den Wohlstand der Bevölkerung zur Folge,_ welcher in dem Anwachsen
und der Verschönerung der großen Städte zur Erscheinung kommt; denn dte]e,
wie z. B. Berlin. Magdeburg. Halle. Leipzig, Frankfurt. Karlsruhe, haben m
den beiden letzten Jahrzehnten eine förmliche Umgestaltung erfahren. Breite, gut
gepflasterte Straßen mit ebenen Trottoirs. geschmackvollen Anlagen, treffliche
Straßenbeleuchtung sind keine geringeren Vorzüge der heutigen Städte, als
die sür die öffentliche Gesundheit und Sicherheit getroffenen Einrichtungen,
wie Kanalisation. Wasserleitung. Blitzableiter. Feuerwehr, elektr. und Gas¬
beleuchtung. Hat auch der rasch angewachsene Volkswohlstand viele zu dem
Streben nach mühelosem Erwerbe verleitet und dadurch vieles Unheil im
Gefolge gehabt, fo hat sich doch immer wieder der in dem deutschen Cha¬
rakter wurzelnde Grundsatz bewährt, „daß Arbeit des Bürgers Bierde ist
und daß Sparsamkeit und ordnender Sinn den Gewinn mehrten.
2. Die Maschine. Eine wichtige Erfindung des 19. Jahrhunderts tst
die Maschine, eine sinnreiche Verwendung von Kräften und Mitteln der
Natur, um menschliche Arbeit zu ersetzen oder zu vereinfachen. Die Ma-
schüren werden teils mit Hand oder Fuß in Wirksamkeit gesetzt, wie die
Näh- und Strickmaschinen, teils mit Damps oder Gas getrieben. Die Ver¬
wendung des Dampfes als Motor, d. i. als bewegende Kraft, ist zuerst
von dem Schotten James Watt eingeführt worden und hat in wachsen¬
dem Maße sowohl die Industrie, als den Verkehr und Handel umgestaltet.
Die meisten Gewerbe bedienen sich in der Neuzeit ganz oder teilweise der
Dampfmaschine, und so wird in zahllosen Fällen die Handarbeit durch das
Fabrikat verdrängt (Gespinste, Gewebe, aber auch Dreschen, Sägen n. s. w.).