Object: Alte Geschichte (Theil 1)

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Lande der Griechen geschwebt hat, unterliegt keinem Zweifel mehr; ob aber 
auch das griechische Volk das glücklichste gewesen sei, — diese Frage suchen 
die Neueren gründlich zu beantworten. Sie befriedigend zu lösen, ist 
darum unmöglich, weil jedes Volk, ja jeder Mensch seine eigene Ansicht 
von Glückseligkeit hat. Dem Einen ist Kriegsruhm, dem Anderen ein ge¬ 
segneter Boden, dem Dritten ergiebiger Handel und Gewerbfleiß, dem Vier¬ 
ten Kunst und Wissenschaft mit gesetzmäßiger Freiheit das Wünschenswer- 
theste, und wir gestehen gerne ein, daß jedes dieser Ideale von Glückselig¬ 
keit, wenn es erreicht worden ist, wirklich auch Menschen und Volker be¬ 
friedigt hat; denn nicht auf das Gut selbst, sondern auf die Seele kommt 
es an, die das zu brauchen versteht, was sie erreicht hat und nichts An¬ 
deres erstrebt, als was sie zu brauchen weiß. 
Findet man in ihren hinterlassenen Schriften so viele Klagen über 
menschliches Elend, als in unseren Tagen, und sieht man den Denkmalen 
ihrer Kunst den Jammer eines mit sich zerfallenen Geschlechtes an? Nun 
sollte dadurch nicht etwa angedeutet werden, daß die Abweichung von der 
rechten Bahn einer vernünftigen, naturgemäßen Entwickelung in den Fol¬ 
gen verderblich ist? Allerdings haben wir die Keime zur Glückseligkeit 
weit herrlicher und kräftiger, als die Griechen, in unserer Religion und 
durch diese zu manchem Fortschritte der Civilisation und der Wissenschaft 
selbst in unseren Sitten; doch die Mittel könnten wir ihnen ablernen, jene 
Keime recht gedeihlich für das öffentliche Leben zu entwickeln und die freien 
Wege gehen, die jedem Einzelen zu seiner Entwickelung im Leben offen 
stehen. 
Nächst den Griechen bleibt uns in Hinsicht des bürgerlichen Lebens 
das römische Volk das merkwürdigste in der alten Geschichte. Dieses Volk 
hat uns gelehrt, Gesittung und Bildung überall hin zu verbreiten, die 
Macht der gewaltigen Natur zu brechen, aus Sümpfen und Sandstcppen 
urbares Land zu machen, durch Wüsteneien und über Felsengebirge Stra¬ 
ßen, Canäle, Brücken, Grenzwälle, Wasserleitungen und große Städte zu 
erbauen. Dieses Alles führten aber die Römer mit dem Schwerte in der Hand, 
mit hartem Regiments und erdrückenden Gesetzen aus; sie waren ursprüng¬ 
lich Ackerleute, und ihre Herrschaft war jederzeit ein Joch; dann waren 
sie auch Krieger, darum war ihr Bildungsmittel — das Schwert. Noch 
tragen Millionen von Europäern das alte römische Joch der Knechtschaft 
und die Sprache dieser Weltbeherrscher wie ihre Gesetze leben noch im Staate 
und in der Kirche fort. Darum ist es nöthig, den griechischen Geist der Huma¬ 
nität zu Hilfe zu nehmen gegen diese Gewalt, die nicht weichen will, so 
viel sie auch erschüttert worden ist. 
Auch die üppige Welt des Morgenlandes, weichlich und kräftig, wie 
sie bei verschiedenen Völkern war, dürfen wir bei dem Fortgange der Ge¬ 
schichte nicht aus dem Auge lassen, am allerwenigsten aber das auserwählte 
Volk Israel, das uns eine reinere Gottesverehrung gelehrt hat und aus
	        
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