Quellensätze.
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10) Über Friedrichs I. Lebensweise berichtet der Freisinger Domherr
gtagerom*):
Den Gottesdienst, der vor Tagesanbruch in den Kirchen oder von seinen Geist-
lichen abgehalten wird, besucht er allein oder mit sehr geringem Gefolge, und er zollt
dem geistlichen Stande solche Achtung, daß er allen Italienern zum Muster und öev
spiel dienen kann, welche Ehre und Ehrfurcht man Bischöfen und Geistlichen zu er¬
weisen hat. Dem Gottesdienste zeigt er solche Verehrung, daß er zu ieder Stunde,
in der man Gott Lobgesänge anstimmt, gebührendes Stillschweigen beobachten laßt
und niemand ihn während dieser Zeit durch irgendein Geschäft unterbrechen darf.
Nach vollbrachtem Gebet und nach Feier der Meffe verwendet er, durch die Kraft der
heiligen Reliquien gestärkt, den übrigen Teil des Morgens an die Regierungsgeschäfte.
Wenn eine Jagd abgehalten wird, so steht er keinem nach in der Abrichtung von
Pferden, Hunden, Habichten und anderen Vögeln derart, in ihrer Beurteilung und
Anwendung. Auf dem Weidgange spannt er selbst den Bogen, nimmt den Pfeil, legt
ihn auf und drückt ihn ab. Sage ihm, was er treffen soll, und sicher trifft er das
bestimmte Ziel. Beim Mahle herrscht solche Zucht und doch zugleich königlicher Uber-
fluß, daß die Enthaltsamkeit nicht über Trunkenheit, der Hunger nicht über allzu
große Einfachheit klagen kann. Beim Spiel legt er die Strenge des Herrschers eme
Zeitlang beiseite. Er ist von der Sinnesart, daß seine Freundlichkeit nie Böses droht,
seine Strenge nie blutig ist. Seiner Umgebung gegenüber ist er in der Rede nie
zornig, nie mißachtet er ihren Rat, nie ist er allzu spitzfindig bei einer Untersuchung.
Die Schriften und die Taten der alten Könige durchforscht er voll Eifer. Almosen
teilt er oft mit eigener Hand an die Armen aus, den Zehnten seines Geldes weist er
getreulich den Kirchen und Klöstern zu. In der Muttersprache ist er sehr beredt,
Latein kann er besser verstehen als sprechen. Seine Kleidung ist die vaterländische,
nicht kostbar und üppig, aber auch nicht armselig.
11) Aus Berichten über das Psingstfest zu Mainz. Im Jahre 1184,
um Pfingsten, hielt Kaiser Friedrich einen sehr berühmten Hoftag zu Mainz. Dahin
kamen alle Würdenträger, Beamten und Fürsten, dahin die Erzbischöfe und alle
Großen und Edlen, die dem Kaiser zu gefallen wetteiferten. In der Ebene, die sich
in der Nähe von Mainz zwischen Rhein und Main ausbreitet, erhob sich eine leicht
gebaute, aber glänzende und prächtige Stadt zur Aufnahme der von stattlichem Ge°
folge begleiteten Fürsten und Großen. In der Mitte der kunstreich erstehenden Zelt-
stadt erhob sich in reichgeschmücktem Holzbau der für den Kaiser selbst bestimmte Palast
und mit demselben in Verbindung stehend eine mächtige Kirche. . . . Mehr noch
staunte man die Vorräte von Lebensmitteln an, die auf des Kaisers Befehl von allen
Seiten her, zu Lande und zu Wasser, rheinauswärts und rheinabwärts herbeigebracht
wurden. Eine ganze Flotte von Schiffen lag längs des Rheinufers, die unerschöpf-
liche Mengen Weins aus der weinreichen Gegend herbeigeführt hatten. Und nicht
anders war es mit Getreide, Brot, Schlachtvieh und Geflügel. . . . Wohl bedurfte
man so gewaltiger Vorräte, denn drei Tage lang sollte die Masse der Fürsten und
Edlen, der Einheimischen und Fremden als Gäste des Kaisers bewirtet werden. Und
welche Menschenmassen waren außer den geladenen Gästen noch zu erwarten! Fah-
rende Sänger und Dichter, Spielleute und Gaukler wurden durch die Festlichkeiten
aus weiter Ferne herbeigelockt. . . . Auf 70000 schätzte man die Zahl der Ritter
und Krieger, und dazu kam noch das Heer der Geistlichen und der Leute niederen
Standes.
Am ersten Psingstfeiertage schritt Kaiser Friedrich mit seiner Gemahlin Beatrix
im Schmucke des kaiserlichen Stirnreifes in feierlicher Prozession und geleitet von
*) Nach Erler, Aus der Kaiserzeit. Erzählungen deutscher Geschichtschreiber.