Full text: Von der Französischen Revolution bis zur Erneuerung des Deutschen Kaiserreiches (Bd. 5)

6 Zwiespalt der Reichs stände. 
niedere Klerus, in bescheidenem schwarzen Gewände, wurde 
vorsichtig durch ein dazwischen geschobenes Musikcorps von 
den hohen Würdenträgern der Kirche getrennt. In der 
Kirche sonderte sogar der dienstthuende Bischof in seinem 
Gebete die drei Stände, indem er betete: „Nimm an, o Gott, 
die Gebete der Priester, die Wünsche des Adels und die 
Huldigungen des dritten Standes." So war alles von 
dem Hose und den zwei ersten Ständen darauf abgesehen, 
den dritten Stand feine untergeordnete Stellung erkennen 
zu taffen; aber sie bewirkten dadurch bei dem dritten Stande 
nur eine gefährliche Gereiztheit. 
Mit dieser Gereiztheit erschien am folgenden Tage 
(5. Mai) der dritte Stand bei der Eröffnung der Ver- 
fammlung. Ihre schwarz gekleidete Schaar, durch die 
Hinterthür eingelassen, nahm im Hintergründe des großen 
prächtigen Saales ihren Platz ein, ihr zur Linken und 
Rechten der Klerus und der Adel, so daß diese beiden zu 
beiden Seiten des königlichen Thrones saßen, der dem 
dritten Stande gegenüber stand. Die Minister hatten ihren 
Platz mitten imte. Als der König mit der Königin ein¬ 
trat, umgeben von den Prinzen von Geblüt, den Herzögen 
und Pairs, geleitet von den Ministern, Staatsräten und 
Hofleuten, erhob sich alles und begrüßte ihn mit freudigem 
Zuruf. In der Rede, die der König darauf hielt, sprach 
er von der großen Staatsschuld, der Aufregung des Volkes, 
ermahnte zu Eintracht und kräftigem Wirken. Als er sich 
niedersetzte und sein Haupt bedeckte, bedeckten sich auch alle 
Edelleute. Das war für manche aus dem über feine Zurück¬ 
setzung gereizten dritten Stande das Zeichen, sich ebenfalls 
zu bedecken. „Hut ab!" riefen einige, andere riefen: „Hut 
auf!" bis der König dadurch, daß er feine Kopfbedeckung 
wieder abnahm, dem unangenehmen Streite ein Ende machte. 
Die nun folgenden Reden des Siegelbewahrers und des 
Ministers Necker machten einen schlechten Eindruck. Der 
letztere gab Bericht über den Zustand der Finanzen, woraus 
sich ein Deficit von 56,150,000 Livres ergab. 
Das französische Volk hoffte von der Ständeversammlung
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.